Wir hatten eine ähnliche Diskussion schon mal. Es ging um die mittelalterliche Kriegsführung; ich behauptete, der Begriff des Kriegsverbrechens sei in dem Zusammenhang deplatziert. Es gab kein Unrechtsbewusstsein im Wortsinn. Das Erlittene hinderte niemanden daran, loszuziehen und anderen Leid zuzufügen.
Hielten Philosophen, Kleriker, frühe Humanisten dagegen? Sicher. Aber ihre Meinung war nicht verbreitet, sonst hätte sie einen Wandel ausgelöst, wie er im Zuge der Aufklärung dann auch tatsächlich eintrat.
Ohne unveräußerliche Menschenrechte ist der Gedanke, dass niemand unschuldig dazu verurteilt sein sollte, ein absichtlich zugefügtes Leid erdulden zu müssen, kaum denkbar.
Hier möchte ich dagegen halten:
Das Leid hat immer zwei Komponenten. Eine passive Seite, die es zu erleiden hat und eine aktive Seite, die es zufügt.
Die allgemeinen Menschenrechte, als Abwehrrechte beziehen sich dabei vor allem auf die Seite des potentiellen Opfers und postulieren, dass einer Person niemals dieses oder jenes angetan werden darf.
Das ist aber nur die eine Seite um Leid zu verhindern.
Die andere wäre der Apell, bzw. die Vorschrift an potentielle Täter, zu unterlassen, was solches Leid verursachen könnte.
Und in diesem Punkt, gibt es jedenfalls bei Anhängern der monotheistischen Buchreligionen ganz eindeutige Vorschriften.
Das auch und noch viel mehr im Hinblick auf "Kriegsverbrechen", die sich ja oft auch zwischen Angehörigen der gleichen Religionen ereigneten und sich somit nichtmal durch einen unterschiedlichen Rechtsstatus zwischen Angehörigen und Nichtangehörigen dieser Religion rechtfertigen ließen.
Wohlgemerkt: Nein, das ist kein tu quoque, kein Whataboutism. Ich versuchte – vielleicht auf unzulängliche Weise, aber doch immerhin –, jedes Werten an sich aus der Gleichung zu streichen. Denn ich sehe keinen Sinn darin, das Handeln historischer Personen an Maßstäben zu messen, die sie nicht kennen konnten.
Naja, konnten sie die nicht kennen? Wie ausgeführt worden war, diese Formen von Sklaverei, die die Europäer bei der Versklavung von Afrikanern und in den Kolonien betrieben, hat zu diesem Zeitpunkt in Europa nicht mehr existiert.
Jetzt wäre zu hinterfragen, warum hat sie dort nicht mehr existiert? Warum hätte man sie dort abschaffen sollen, wenn sie nicht als moralisch anrüchig gegolten hätte? Und warum machte man sich die Mühe nach Westafrika zu schippern um dort afrikanische Sklaven aufzukaufen, anstatt, polemisch ausgedrückt, einfach auf der Messe in Antwerpen die Gefangenen der letzten Kriegssaison in Flandern als Sklaven zu verhandeln?
Es gab Eindeutige, in der Religion festgelegte Regeln, was ein Christ nicht tun durfte und es gab in den verschiedenen Gesetzeswerken und Rechtstraditionen auch gewisse Regeln, was einem Christenmenschen nicht angetan werden durfte.
Nur deshalb war es ja überhaupt notwendig, die Sklaverei auf afrikanische "Importe" zu stützen.
Jetzt könnte man argumentieren, dass die eigene Religion mit den ganzen "du sollst nicht......" und ihrem inhäernten Wertekorsett, dem Sklavenhändler seine Betätigung an und für sich hätte verbieten müssen.
Und was die Legitimität dessen angeht, was die Versklavung von Individuen aus Afrika angeht, wäre das mindestens ein zweischneidiges Schwert.
Das sind zwar in aller Regel keine Christen gewesen, die was religiöse Aspekte angeht unter die entsprechenden Regeln gefallen wären, dass sind aber auch keine Menschen gewesen, die das Christentum abgelehnt hätten und sich somit bewusst, außerhalb des Kreises der Inhaber entsprechender Abwehrrechte gestellt hätten.
Dann wären wir bei der Frage, ob man im christlich-moralischen Zeitverständnis, irgendwelche Bewohner Afrikas, die zunächstmal deswegen keine Christen sind und sein können, weil ihnen bis dato vom Christentum noch nie jemand etwas erzählt hatte, mit Muslimen an der europäischen Periherie oder Juden in den europäischen Gesellschaften gleichsetzen kann, die sich einfach dagegen entschieden haben.
Entsprechend wäre auch von diesem Standpunkt aus, zeitgenössisch die Frage zu stellen gewesen, ob man diese Leute in Afrika einfach als eine Art "ungläubige Teufel", behandeln dürfte, oder ob man da nicht eigentlich ein fundamentales Unrecht beginge, in dem man Menschen, die man vielleicht für das Christentum gewinnen könnte durch die Zuführung zur Sklaverei von der christlichen Lehre entfremdete?
Die moralische Frage hätte man sich da schon stellen müssen und die halte ich nicht für so oberflächlich, als dass man sie vor einem christlichen Moralkorsett, so man dieses als Maßstab und ernst nimmt, einfach wegwischen könnte.
Ich bin schon der Meinung, dass aus verschiedenen Gründen und Erwägungen heraus, mindestens diese Moralansprüche gesehen werden konnten.