Google, Wikipedia und der Irrglaube etwas zu wissen...

Nun gibt es allerdings in den letzten Jahren eine Tendenz, Wikipedia-Artikel zu übersetzen und nur noch Übersetzungen einzustellen. Heute habe ich ein ganz besonders absurdes Beispiel einer solchen Übersetzung gefunden. [...]
In dem Wikipedia-Artikel zu Jimena in Jaén steht zu lesen:
Según las crónicas éste fue uno de los castillos en los que se rebelaron los Banu Hábil contra el poder del emir cordobés. Jimena (Xemena) pudo ser otro de estos castillos o una alquería fortificada tras la conquista cristiana.
Die englische Variante macht daraus nun aber folgendes:
Reports suggest that this was one of the castles in which the Banu Business rebelled against the power of the emir of Córdoba. Jimena (Xemena) could be another of these fortified castles or a farm after the Christian conquest.
Da wurde also nicht einmal selber übersetzt, sondern derjenige, der das verbrochen hat, hat sich eines Übersetzungs-Tools bedient und sein Hirn völlig ausgeschaltet. Mal abgesehen davon, dass selbst in diesem kurzen Stück noch anderhalb ÜS-Fehler mehr drin sind aus castillos werden fortified castles (also das Adjektiv wird im Satz verschoben) und aus alquería ('Dorf') fortificada wird a farm...
Seit sieben Jahren - und ich habe damals einen Vermerk auf der englischen Diskussionsseite zum Artikel gesetzt! - ist das nicht geändert worden.
Jimena, Spain - Wikipedia
 
Warum hast du das nicht selbst geändert?
Englische Wikipedia. Abgesehen davon nehme ich der spanischen Wikipedia die Banu Hábil nicht ab. Ich könnte also aus den Banu Business in der englischen Wikipedia, die jeder, der nur ein wenig Grips im Kopp hat, als Blödsinn entlarven kann, analog zur spanischen Wikipedia, aus der das übersetzt wurde, Banu Hábil machen. Aber was ist damit gewonnen, wenn die Banu Hábil - wovon ich schon ein Stück weit ausgehe - ihrerseits eine Chimäre sind?
 
Ich bin ein Fan von Wikipedia. Ich benutze die Seite oft für Rechercheeinstiege, habe aber auch schon Artikel angelegt und korrigiere oder ergänze andauernd in Artikeln, meist zu spanischen Themen (vorwiegend im Bereich Geschichte, Etymologie, Toponomastik). Also ich bin sicher kein Gegner der Wikipedia. Doch beobachte ich hier im Forum in letzter Zeit einen Trend, dass Leute meinen, dass sie mit einem Wikipedia-Zitat das letzte Wort gesprochen hätten. Wikipedia sagt es so, dann muss es ja richtig sein. Nein, dem ist nicht so. Selbst wenn drei Professoren unabhängig voneinander etwas sagen, ist das kein abschließender Beleg für die Richtigkeit. Aber in Wikipedia kann wirklich jeder teilnehmen. Damit will ich die Wikipedia nicht entwerten. Vor vielleicht 13 oder 14 Jahren gab es mal eine Erhebung darüber, wer die Autoren bei Wikipedia seien. Damals waren es die männlichen Single-Akadamiker 30+. Heute wird der Altersdurchnitt wahrscheinlich etwas höher liegen, da einerseits zwar neue Akademiker (männlich wie weiblich, Single wie liiert) hinzugekommen sind, andererseits aber Leute, die vor 15 Jahren Wiki-Artikel geschrieben und bearbeitet haben, dies auch noch tun werden. Also die durchschnittliche Qualität der Wikipedia-Artikel ist schon recht hoch. Dennoch, die sich hier neu im Forum breit machende Sitte*, Wikipedia für das non plus ultra zu halten, stört mich.


*ja, das gab es auch früher schon, dürfte u.a. ein Anlass für @manganite gewesen sein, diesen Thread 2005 zu starten. 20 Jahre später diskutieren wir immer noch darüber.
 
Ja, auch bei Wiki ist es wie bei allen Quellen im Netz, genau hinschauen.
Ich benutze Wiki gerne, schließe mich aber El Q. an, alles grundsätzlich als Richtig anzusehen halte ich für falsch, zumal ich selbst schon mal ( im Pflanzenbereich) es was verbessern wollte und das gleich wieder "rückgängig" gemacht wurde.
 
zumal ich selbst schon mal ( im Pflanzenbereich) es was verbessern wollte und das gleich wieder "rückgängig" gemacht wurde.
Der Vater eines Freundes von mir war lange Vorsitzender eines wissenschaftlichen Vereins. Dieser Verein ist in einem Museum angesiedelt, wurde von Mitarbeitern des Museums begründet (nicht umgekehrt). Nun hat dieser Verein bei der deutschen Rechtschreibreform seinen alten Namen beibehalten, steht aber in der Wikipedia mit einem Namen nach neuer Rechtschreibung. Besagter Freund wollte das korrigieren, schließlich ist der der Sohn des damaligen Vereinsvorsitzenden. Alle seine Edits wurden reeditiert. Er hat m.E. zu schnell aufgegeben, wollte sich auf keinen Edit War einlassen, und lehnt seitdem die Wikipedia ab.
 
Ich bin ein Fan von Wikipedia. Ich benutze die Seite oft für Rechercheeinstiege
geht mir inzwischen genauso (allerdings bin ich in meinem eher abseitigen beruflichen Fachgebiet sehr unzufrieden mit den Wikipedia-Artikeln, die sich damit befassen, bzgl meines exzentrischen Festungsspleen hat sich vieles in Wikipedia zum positiven entwickelt) wobei ich mich allerdings dort nicht beteilige.
Also die durchschnittliche Qualität der Wikipedia-Artikel ist schon recht hoch. Dennoch, die sich hier neu im Forum breit machende Sitte*, Wikipedia für das non plus ultra zu halten, stört mich.
Als "Beweis"einstieg sozusagen in Diskussionen nutze ich Wikipedia gern, weil sich das flugs verlinken lässt und oft genug ist der entsprechende Wikipedia-Artikel auch genügend (z.B. im Ethnogenese der Deutschen Faden reicht zur Klärung des Begriffs Ethnie https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnie völlig) - mühsamer ist das zitieren aus Fachliteratur, wenn diese nicht online zugängig ist (vorgestern hatte ich ziemlich lange gebraucht, um aus Pohl, Völkerwanderung, zu zitieren)
Das diskutieren kann und soll sich doch gerne entwickeln, indem - wo nötig - über das, was in Wikipedia mitgeteilt wird, hinaus debattiert wird und erweiterte oder abweichende Beweisörter hinzugefügt werden.
 
Als "Beweis"einstieg sozusagen in Diskussionen nutze ich Wikipedia gern, weil sich das flugs verlinken lässt und oft genug ist der entsprechende Wikipedia-Artikel auch genügend (z.B. im Ethnogenese der Deutschen Faden reicht zur Klärung des Begriffs Ethnie https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnie völlig) - mühsamer ist das zitieren aus Fachliteratur, wenn diese nicht online zugängig ist (vorgestern hatte ich ziemlich lange gebraucht, um aus Pohl, Völkerwanderung, zu zitieren)
Das ist auch völlig in Ordnung. Es geht mir eher um Beiträge, wo der Wikipedia-Link oder das Zitat gewissermaßen im- oder explizit als argumentum ad verecundiam gebraucht werden. Vor einiger Zeit ist mir hier im Forum etwas kurioses passiert. Da hat jemand etwas gepostet und ich dachte: "Hm... das könnte von mir stammen." Ich schaue in die Historie des Wikipedia-Artikels und es stammte tatsächlich von mir.
 
"Interessant" wie sich das da eingeschlichen haben mag - weil Weltliteratur, weil Witzbold, weil Wein benebelt wirr, ...?
Während meiner Kinder- und frühen Jugendjahre in Portus Cale (ab 74) spielte Asterix so gar keine Rolle in meinem portugiesischen Freundes- u. Bekanntenkreis, wohingegen ich sehnlichst den neuen Band erwartete. Römer vertrimmen spielen konnte ich nur alleine.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach einmal drüber schlafen tendiere ich zur Vermutung "Witzbold". Im Hauptstudium haben wir uns den Spaß erlaubt aufgepeppte Comic-Titel in Literaturverzeichnissen von Seminararbeiten unterzubringen und sie auch zu paraphrasieren. Das konnte bspw. zum Thema "Folgen von Urbanisierung und Metropolisierung" so aussehen:

Goscinny, R./ Uderzo, A. (1974): Die Trabantenstadt. Auswirkungen der Verstädterung auf den Naturraum in Frankreich. Stuttgart: Ehapa.

Ich erinnere ca. 10 solcher "Projekte" - aufgeflogen sind wir bei den Korrektoren nicht ein einziges mal. Amüsant war der Rücklauf der Arbeit eines Kommilitonen mit Korrekturvermerken im Literaturverzeichnis, aber nicht bei einem Titel von Maurice De Bevere (alias Morris)/ Goscinny.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wiki bedeutet ja schnell, für schnelle Info ist wikipedia m.M.n. sogar ziemlich gut, chirurgische OPs darf man natürlich nicht auf Grundlage eines wiki-Artikels durchführen, wenns richtig sein muss dann sollte man zusätzliche Quellen hinzuziehen und wenn man etwas wirklich wissen will dann muss man eben ein entsprechendes Buch lesen. Dafür ist nicht immer Zeit, für solche Situationen gibt es Enzyklopädien und bei der Britannica braucht man gehörig Glück dass es zu einem Thema das nicht gerade weitreichend Bedeutung hatte überhaupt einen Artikel gibt und der nicht hinter der Paywall steckt und vom Rest ist der Großteil bloß ein paar Sätze denn obwohl der Print aufgegeben wurde sind sie noch in diesem Format, im Print ist für das meiste nur 1-2 Sätze Platz. Das übrige, die großen Themen des Menschendaseins, ist erster Güteklasse.

Sucht man bei Britannica nach dem Templermeister Odo von St. Amand/Eudes de Saint-Amand dann wird man enttäuscht, den hats wohl nie gegeben wenn man sich nur auf die Britannica verlasst. Sieht man bei wiki stehen da 5 Absätze nach denen man den geschichtlich, zeitlich und geographisch einordnen kann. Kurze Info eben, in dem Fall ist die tatsächliche Quellenlage ohnehin dünn und mit Wilhelm v. Tyrus nicht unzweifelhaft bzw. parteiisch gefärbt.

Sucht man nach Dietrich von Bulöw, wichtiger Vorarbeiter zur Kriegstheorie von Clausewitz, dann bietet die Britannica 2 Absätze, die für dessen tatsächliche Bedeutung *äußerst* knapp sind. Immerhin grob einordnen kann man ihn damit, aber wird ihn wohl für unbedeutend halten (Clausewitz hat auch fast systematisch versucht die Erinnerung an ihn auszulöschen).
Der Artikel von wiki ist nicht sehr viel länger und könnte ebenso Ausarbeitung vertragen, aber es gibt ein Bild vom Wappen der Bulöws, vollständige Liste seiner Veröffentlichungen und was es bei der EB nie gibt, Literatur, Weblinks, genanntes Medien, und (in dem Fall keine) Einzelnachweise.

Der Brockhaus hat zu keinem von beiden Artikel.

Und zu guter Letzt, Britannica ist... britisch, wiki ist frei und international, man kann in den wikis anderer Länder nachsehen ob es dort andere/bessere Infos gibt, die Deutsche und Englische gehören aber zu den umfangreichsten.

Die entwickelte Wiki-Software und -Prinzip ist unzweifelhaft eine sehr sinnvolle Entwicklung, man kann es ja auch geschlossen verwenden.

Das alles ist noch keine Garantie für Qualität und Richtigkeit der Information, aber gehört auf jeden Fall auch zu den Merkmalen nach denen man so etwas bewertet, m.M.n. beruht die negative Beurteilung von Wikipedia noch sehr auf dem Stand von vor 20 Jahren und wie der Vergleich zeigt haben die etablierten Enzyklopädien da die Entwicklung verschlafen.
Kritisches Hinterfragen der Quellen und nicht ungefiltert zu übernehmen gehört auch bei den angesehenen Quellen ganz genauso dazu.

Dazu fällt mir eine Theateraufführung ein die der Brockhaus zum eigenen Jubiläum 1902 beim Börsenverein aufführen lies; Für eine Rede im Zuge der Wahlkampagne zum Stadtrat schreibt der Protagonist aus dem Brockhaus den Artikel zur Gasanstalt (ein tagespolitisches Thema der Stadt ist die Renovierung derselben) ab, erst nach der Rede fällt im erschrocken auf er hatte aus Versehen den Artikel zum Gasthaus abgeschrieben, aber es war niemanden aufgefallen weil es so schlau klang, und er wurde gewählt. Den Zuhörern gefiel wohl was sie da hörten.

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Auch ein paar interressante Links:
 
Die großen Enzyklopädien haben nicht irgend eine Entwicklung verschlafen....die Größe macht den Unterschied.

Aktuell ergäbe der Textbestand der deutsprachigen Wikipedia, ohne Bilder, auf das Format der Britannica umgebrochen 1700 Bände.
Eigenauskunft Tante Wiki von heute Abend.
 
Die großen Enzyklopädien haben nicht irgend eine Entwicklung verschlafen....die Größe macht den Unterschied.
Sie stammen auch allesamt aus Zeiten in den Wissen nur denen zugänglich war die es sich leisten konnten, und wollten daran auch nichts ändern. Die 20. Edition vom Brockhaus von 1996-1999 kostete im günstigsten Fall 2800€, die später erschienene CD 999€ oder 1.500€ mit Krams (in Buchatrappen statt den üblichen CD-Covern etc).
Gab viel Kritik am frühen wiki, wenn es auch erstmal 100 oder 200 Jahre alt ist...
 
In meinen Augen besteht der größte Vorteil der Wikipedia gegenüber konventionellen Enzyklopädien darin, dass die redaktionellen Kriterien nicht auf klassische Kriterien der "Wissenswertigkeit" abstellen, sondern jeder Themenkreis die gleiche Aufmerksamkeit erfahren kann. Ich habe z.B. daheim den Neuen Herder von 1951, der klar mit einem Anspruch auf humanistische Bildung verfasst ist. Jeder noch so nachrangige Komponist wird ausführlich behandelt, dafür fehlt so mancher naturwissenschaftliche Begriff (auch nach damaligem Wissensstand, wohlgemerkt). Auch die sonst nur in Fachliteratur zugänglichen Informationen sind oft sehr nützlich. Insofern trägt die Wikipedia wirklich zur Demokratisierung des Wissens bei.
Sie stammen auch allesamt aus Zeiten in den Wissen nur denen zugänglich war die es sich leisten konnten, und wollten daran auch nichts ändern. Die 20. Edition vom Brockhaus von 1996-1999 kostete im günstigsten Fall 2800€, die später erschienene CD 999€ oder 1.500€ mit Krams (in Buchatrappen statt den üblichen CD-Covern etc).
Na, ich weiß nicht, ob das wirklich der Grund ist. 2023 waren auf der deutschen Wikipedia 6000 Autoren regelmäßig aktiv. Stelle Dir vor, das wären keine Hobbyisten, sondern festangestellte Autoren und Redakteure (und sei es zum Mindestlohn von €12,41 pro Stunde). Wenn dann noch Lizenzgebühren (bspw. für Infografiken) und die Druckkosten hinzukämen … Eine konventionell herausgegebene Wikipedia könnte sich kein Mensch leisten. Es kann gut sein, dass die Gewinnmarge für den Bertelsmann-Konzern niedriger war, als Du denkst.
 
Also, dass wikipedia kostenlos ist halte ich für den womöglich bedeutendsten Grund warum es sich so zielstrebig gegen die bestehenden Enzyklopädien durchsetzen konnte. Kombiniert mit den Vorteilen der digitalen Datenverarbeitung, die da wären eben unbegrenzt viele und beliebig lange Artikel, Textsuche, Verlinkungen, Bilder, etc.
 
Ich habe vorgestern auf der Suche nach weiteren Informationen zu Pytheas auch den entsprechenden Online-Artikel bei Encyclopædia Britannica angeschaut und musste feststellen, dass das Informationsgehalt sehr, sehr mau ist – z.B. wird dort außer Polybius kein weiterer antiker Geschichtsschreiber genannt, und es werden Behauptungen ohne Belege aufgestellt, was in diesem Forum in Bezug auf Wikipedia als KO-Kriterium gilt. Dabei wurde dieser Artikel: "Written and fact-checked by The Editors of Encyclopaedia Britannica, Last Updated: Apr 3, 2024".

Fazit: Die Encyclopaedia Britannica lebt (noch) vor ihrem einstigen Ruhm.
 
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