Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Nationalsozialisten mit ihrer Rasse-Theorie von der arischen Herrenrasse und slawischen Untermenschen irgendeine Nachhilfe vom Kolonialismus holen mussten. Der Hass auf Slawen, Juden, Roma, etc. haben die auch so entwickelt. Der nährte sich sicherlich aus anderen Wurzeln.
So einfach ist das nicht, aber es hält Dich niemand ab, diese anderen Wurzeln zu beleuchten.
Wir haben in einem anderen Kontext sehr engagiert, fachlich fundiert und kontrovers diskutiert, wann und wie Hitler in seinem Weltbild vom "einfachen Antisemitismus" der Wiener Zeit zum zunehmenden extremen Antisemitismus in der Folge der Radikalisierung seiner Zeit als Soldat wurde.
In diesem Zusammenhang, im München Anfang der zwanziger Jahre, war der Ort und die Zweit ein Kristallisationspunkt für eine Vielzahl von Geistesströmungen. Diese reflektierten zum Teil die historische Entwicklung, den Zusammenbruch des Kaiserreichs, die Ereignisse um den deutschen Imperialismus inklusive seiner Kolonialkriege und der Kolonialgreuel und die Ereignisse rund um den WW1. Dass es durchaus konträre Ansichten dazu gibt, belegen die entsprechenden Beiträge beispielsweise in Langbehn und Salama.
Von Hitler wurden viele dieser Ideen unsystematisch adaptiert und in sein Weltbild integriert. Diese Entwicklung der Radikalisierung einer Generation, die aus dem Krieg Heim kam und von denen, die zu jung für den Krieg waren und sich dennoch radikalsierten, wurde - vgl. Link dazu - nachgezeichnet.
Eine zentrale Position kommt dabei dem durch Kolonialkriege geprägten und späteren Lobbyisten für ein NS-Kolonialreich, dem Ritte von Epp zu.
Durch ihn, den Olusuga und Erichsen als einer der Mentoren von Hitler Anfang der zwanziger Jahre benennen, lernte Hitler Röhm und die Gebrüder Strasser kennen, die Angehörige des Freikorps von Epp waren (vgl. S. 12)
Franz Ritter von Epp – Wikipedia
Das rassistische und sozialdarwinistische Weltbild von Epp in Kombination mit der Befürwortung des Lebensraum-Motivs geben einen Hinweis darauf, welche Wertvorstellungen in den Freikorps und anderen rechtsextremen Gruppierungen Anfang der zwanziger Jahre die dominante Haltung waren. Das muss nicht weiter vertieft werden.
Die Kontinuitäten, die Zimmerer und andere analytisch herausarbeiten vom deutschen Imperialismus - u.a. auch dem "Boxer-Aufstand" - und insbesondere dem Genozid an den Herero und Nama sind nicht als geplante oder durch den deutschen "Sonderweg" vorgegebene Entwicklung zu begreifen.
Diese Kontinuitäten konnten nur dadurch wirksam werden, dass Hitler sein Kapmpf geschrieben hatte und darin ein Amalgam aus Nationalismus, Antibolschewismus und Antisemitismus ausformuliert hatte und an das Lebensraummotiv gebunden hat.
In diesem Konzept enthalten waren rassistische und sozialdarwinistische Sichten, die auch die Sicht der Europäer !!!! auf die "Kolonialvölker" ausgezeichnet hatten. An dem Punkt unterschied man sich als deutscher Imperialist nicht von anderen europäischen Mächten.
Der Unterschied bestand in der Zuspitzung des Feindbildes auf die "jüdische Weltverschwörung" und dem Verlust der deutschen Kolonien und der Suche nach Alternativen. Und an diesem Punkt bot sich das Lebensraummotiv für den Osten an, auf den Hitler sämtliche früheren Überlegungen hin fokussieren konnte.
Insofern war "Mein Kampf" die zentrale ideologische Brücke, die das klassische koloniale Weltbild auf den Osten ausrichtete und mit einem militanten, exterminatorischen Sozialdarwinismus anreicherte.
Aber, ohne die entsprechenden "Vordenker" und ohne die Praktiker des sozialdarwinistisch inspirierten deutschen Kolonialismus wäre Hitler nicht in der Lage gewesen, das Amalagam zu formulieren, das in die "Operation Barbarossa" und die "Endlösung" einmündete. Und an diesem Punkt hat Zimmerer m.E. Recht, wenn er von einer Kontinuität spricht.
Langbehn, Volker Max; Salama, Mohammad (Hg.) (2011): German colonialism. Race, the Holocaust, and postwar Germany. New York: Columbia University Press.
Olusoga, David; Erichsen, Casper W. (2011): The Kaiser's Holocaust. Germany's forgotten genocide and the colonial roots of Nazism. London: Faber & Faber.