Roland Werner, notiert in Anmerkung 28, S. 53 von 'Das Christentum in Nubien: Geschichte und Gestalt einer afrikanischen Kirche' (2013), u.a., dass Prokop in Geheimgeschichte schrieb, die konkurrierenden Missionsgesandtschaften von Justinian I. und Theodora nach Nubien seien als zusammen abgesprochene Aktion geplant worden, um beide Seiten, sowohl die Miaphysiten wie die Anhänger des chalcedonischen Bekenntnis zufrieden zu stellen.
Schon recht, aber Geheimgeschichte... Verschwörungstheorie? Und dann noch zum Nachteil für Justinian? Andererseits weiß ich nichts von einem Ehekrach nach Theodoras "Sieg", daher könnte der durchtriebene Kaiser vielleicht doch so etwas geplant haben, auch wenn es zunächst einmal so aussah, als liefe es schlecht für ihn. Ist aber Spekulation.
Darüber hinaus, was den christologischen Streit betrifft:
Es ist schon auffällig, dass in den vielfältigen Anti-Häretiker-Gesetzen Justinians die Monophysiten meist gut wegkommen, u.a. die Edikte Cod. Just. 1.1.5 und 1.1.6. Hier wird nur neben dem Nestorianismus die Lehre des Eutyches als radikale Form des Miaphysitismus aufgeführt, dazu die Lehre des Apollinaris von Laodica, eine ebenfalls radikale Form des Mph. Die übrigen Varianten des Mph tauchen nicht auf.
Die Mission von Johannes v. Epehesus hatte ich schon angesprochen, aber unabhängig von Theodoras Einfluss mag der Kaiser wohl gespürt haben, dass die religiöse Einheit des Reichs ohne irgendeine Anerkennung des Monophysitismus (oder Miaphysistismus, vermutlich identisch) nicht möglich war. Dafür war der Einfluss offenbar schon zu stark und hatte schon bei Zenon und Anastasius Wurzeln geschlagen. Deshalb wurde auch der monophys. Wortführer, Bischof Severus, an den kaiserlichen Hof geladen, allerdings ohne wirkliches Ergebnis, denn Severus war Skeptiker und wollte nicht vereinnahmt werden. Außerdem erhielt der miaphysitistische Stylit Maron von Justinian ein Staatsbegräbnis. Nun ja, Maron war tot, der konnte nicht mehr widersprechen, so konnte man hier "ein Zeichen setzen".
Dagegen gibt es tatsächlich eine Verfolgung von Miaphysiten unter Justinian, vor allem im Osten. Schon Onkel Justin hatte eine solche veranlasst. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass ab 529 (Justin war gerade gestorben und sein Neffe Alleinherrscher) alle Verfolgten wieder ins Reich zurückgeholt und ihnen Gespräche angeboten wurden, fast so wie bei Annalena heutzutage. Auch hatte Justinian damals die theopaschitische Formel propagiert (das bei wiki nachlesen:
Theopaschitismus – Wikipedia ), ebenfalls ein Angebot an die Monophysiten. Was genau die 2. Welle unter dem Großinquisitor Ephraim von Antiochia verursacht hat, weiß ich leider nicht. Viel ist m.W. darüber nicht bekannt.
Gegen Ende seines Lebens hat sich Justinian höchstdaselbst einer Variante des Mph hingegeben, dem Aphthartodoketismus, die ich zur Erleichterung der Mitlesenden hier nicht vertiefen möchte, weil ich sie selbst kaum verstehe. Ich verweise lieber auf den wiki-Artikel:
Aphthartodoketismus – Wikipedia . Es gibt Hinweise darauf, dass man kirchlicherseits den Kaiser selbst der Häresie anklagen wollte - da hat ihn der Herr rechtzeitig zu sich berufen.
Ergebnis: Justinians Einstellung zum Miaphysitismus schwankte. Mal Zuckerbrot, mal Peitsche, vielleicht wirklich eine Art Arbeitsteilung mit Theodora - aber im Zentrum immer der kaiserliche Machtwille.