Zusammengehörigkeitsgefühl bezeugen Tacitus und der Mannus-Mytgos eindeutig. Sonst schreibe ich dann von der Frage nach Ab- und Begrenzungen. Doch hier möchte ich auf ein anderes Problem hinweisen:
Was versteht man unter diesem Zugehörigkeitsgefühl? Es ist nun kein unbekanntes Phänomen, dass sich Ethnien einer größeren Gruppe von Ethnien zugehörigfühlen. Selbst bei modernen Nationen kann man das sehen. Hier können wir auch konkurrierende Zugehörigkeitstühle bei ein- und demselben Individuum beobachten. Als Beispiel des 19. Jh. sei an die Europäer/zivilisierten Nationen einerseits und Slawen/Kelten/Romanen/Germanen erinnert, das gleichzeitig zeigt, dass hier Ethnizität nicht immer eine Rolle spielen muss. Und die Wahrnehmung einer Gruppe von Ethnien als 'wahre Menschen' ist nun auch nicht unbekannt.
Was bringt uns das -ich bin versucht zu ergänzen 'zu welcher Zeit'- für die Kelten oder das Altertum? Zunächst die Feststellung, dass das Phänomen außer in Situationen der Isolierung weltweit festzustellen ist, weshalb bis zum Beweis des Gegenteils davon auch bei den keltischen Kulturen ausgegangen werden muss. Doch gleichzeitig ist klar, dass damit nichts gesagt ist, da weder inhaltlich noch extensional, von der Mengenlehre her, eine Aussage gemacht, eine Abgrenzung vorgenommen werden kann.
Nehmen wir den gallischen Landtag Caesars. Der kann ganz einfach auf die Bedrohung durch Ariovist und Caesar zurückgehen. Doch scheint hier durch, dass gewusst wurde, wer benachrichtigt wurde, wer nicht. Und auch da gibt es wieder Einwände. Eine politische Funktion der Druiden wird in einem Teil der neueren Literatur, die sich damit gegen die Quellen stellt, bestritten. Dem Folge ich nicht. Doch auch hier wird eine mögliche Abgrenzung nicht wirklich klar.
Die antike Ethnographie und Ethnologie konzentrierten sich eher auf die Unterschiede, subsummierte, was nur eben ging unter die eigenen Begriffe und Erscheinung und suhlte sich geradezu in Vorurteilen, wie der Einteilung der nördlichen Barbaren in Kelten und Skythen, wozu als Folge des Kimbern- und Teutonen-Zuges die Germanen traten.
Es geht nun erst einmal nicht darum, klare Grenzen zu ziehen, etwa, wie einst im Forum geschehen, beispielsweise zu fragen, ob sich Hieronymus tief genug mit der Sprache der Stämme in deren Mitte er lebte beschäftigt hat, um Aussagen zur Sprache gelten zu lassen. Das würde wie gezeigt in die Irre gehen, weil es von einem klaren und ungeteilten Zugehörigkeitsgefühl ausginge, was gerade bei dem genannten Beispiel der Fall sein könnte.
Es geht vielmehr um die Frage, ob sich ein Kernbestand ausmachen lässt.
Ob nun bei Kelten, Germanen oder Hellenen.
Bei den Kelten haben wir das große Problem, dass in der Regel nur Ausschnitte behandelt werden. Wie bei den berühmten Blinden: "Der Elefant ist lang, und biegsam wie eine Schlange." "Nein, er ist flach wie ein Rochen, aber ja, biegsam ist er." "Was redet ihr da? Er ist hart, spitz zulaufend und dabei wunderbar glatt!"
Bei 'den' Germanen stehen wir vor dem Mangel an Quellen und dem Problem der mangelhaften Zuordnung der Einzelgruppen. Bei den Griechen ist die 'Endphase' der 'Formation' im Sinne einer vorübergehend erstarrten Ethnogenese in historischen Zeiten zu beobachten, während schon die Zeiten Homers und Hesiods in dieser Hinsicht kaum gefasst werden können und wir nur versuchen können, Namen und Sagen zuzuordnen. Klare Definitionen gibt es dabei nicht. Daher lässt es sich so trefflich über Danäer, Achäer und Co streiten. Es wäre aber auch falsch, diese Gruppen zu leugnen. Um einen Zusammenhang festzustellen, braucht man oft keinen Inhalt und die betrachtete Menge muss auch nicht immer feststehen.
Nach diesen Überlegungen muss aber auch festgestellt werden, dass wir keine Einzelerscheinungen heranziehen sollten, um die Erscheinung zu benennen. Da aber alle Begriffe in dem Zusammenhang schnell ideologisch aufgeladen werden, sollte man bei den alten Begriffen Großethnie oder Völkergruppe bleiben und jeweils die gemeinten Aspekte benennen. Sonst wird nur wenig damit zu benennen sein und uns werden bald die Begriffe ausgehen.
Als nächstes müssen wir die antiken Begrifflichkeiten klären, statt sie zu übernehmen. 2009 hat jemand an prominenter Stelle noch argumentiert, dass von gentes gesprochen wird, dies mit Sippen zu übersetzen ist, weshalb wir von Sippen und nicht von Stammregimentern ausgehen sollten. Dieser Blödsinn, der eigentlich in eine ältere Zeit gehört, hat eine Menge bis heute wirkender Fehlschüsse hervorgebracht. Wer Kelten, Germanen und Skythen als Volk sah, standen zur weiteren Untergliederung die Begriffe gens und pagus zur Verfügung. (Tribus wird in dem Zusammenhang als übergeordneter Stamm oder als willkürliche Einteilung verstanden. Jedenfalls nicht als gesellschaftlich-politisches Element.) Pagus bezeichnet das Gebiet. Also blieb zur Unterteilung die gens. Es ist also nur die Übernahme eines Begriffs für einen anderen Zweck. Einmal ganz abgesehen davon, dass dabei so getan wurde, als sei damit ganz eindeutig eine Verwendung im Sinne der politischen Ethnologie gemeint. Anderswo im Forum habe ich diesen Punkt schon ausführlicher und zutreffender geschildert.
Was will ich damit sagen? Wir könnten aus Inszenierungen und Aktualisierungen durchaus auf die zeitgenössischen Phänomene schließen. Nur ist, wie bei dem gallischen G-xy-Treffen,/Landtag/Versammlung, meist Recht wenig zu schließen. Aber es sind gemeinsame religiöse Strukturen, politische Handlungen, Sprache und materielle Kultur zu fassen. Tacitus hätte ganz klar von einem Volk gesprochen. Es kommt dann die Zusammenfassung der Ethnien (und die Abtrennung von Helfern und Aquitaniern) durch Außenstehende hinzu. Wir können damit schon von einer Großgruppe sprechen. Aufgrund der Abgrenzung zu Griechen, Römern, Ethnien in Norddeutschland und auf der iberischen Halbinsel ist eine Wahrnehmung von Gemeinsamkeiten wahrscheinlich. Aber auch hier ist wieder nicht mehr gewonnen, als was wir schon wussten: Es gab unterschiedliche Ethnien und über die Zugehörigkeit hinaus ein Gefühl, dass es ähnliche Ethnien gab.
Damit wäre, wie ich schon öfter postete, eher sinnvoll zu schauen, wie sich über die einzelne Ethnie hinausgehende Gemeinsamkeiten äußerten. Natürlich unter neuen Voraussetzungen. Und es ist erstmal bei der einzelnen Inszenierung zu bleiben. Dann zu schauen, ob Verschiedenes in Einklang gebracht werden kann.