Meine Frage: Wie kann die "Türkengefahr" nach Ende des 30jährigen Krieges für Europa/Deutschland eingeschätzt werden?
In wieweit reichte die reale Gefahr nach Deutschland? und: Welche Vorsichtsmaßnahmen wurden durch die deutschen Fürsten im 17. Jh. gegen die damalige Türkengefahr getroffen?
Viele der damaligen Stadtbefestigungen/Festungsbauten entstanden. Gibt es hier Zusammenhänge zu der damaligen Türkengefahr? Wo kann ich die Verwendung der "Türkensteuer" im 17. Jh. nachvollziehen?
Natürlich bei mir im Stadtmuseum - aber gibt es eine auf das 17. Jh. beruhende aussagekräftige Ausarbeitung?
Das Buch "Das Kreuz und der Halbmond" habe ich mir besorgt und werde es durcharbeiten.
Arthur
In Goethes Faust, beim Osterspaziergang sagt ein Zeitgenosse, am liebsten seien ihm Gespräche von "Krieg und Kriegsgeschrei... wenn hinten weit in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen. Von Kriegen weit in der Türkei konnte im 17. Jhd freilich nicht die Rede sein, das Osmanische Reich wurde von vielen Zeitgenossen als Bedrohung wahrgenommen, und zweimal stießen die Truppen des Padischah bis Wien vor. Dass die Türken 1683 eher ein defensives Konzept verfolgten, und planten, die kaiserliche Armee in einer Feldschlacht zu besiegen, um dann ein protestantisches Ungarn als einem Pufferstaat zwischen ihren Besitzungen und den habsburgischen Territorien zu errichten, ist im Rückblick natürlich viel klarer, als für die Zeitgenossen in den vom Krieg betroffenen Gebieten in Krain, der Steiermark, Niederösterreich und Kärnten. Die Armee der Türken war 1683 viel kleiner, als Mehmed IV. vollmundig ankündigte. Schwere Artillerie, um eine Stadt mit so starken Befestigungsanlagen wie Wien sturmreif zu schießen, hatten die Türken kaum.
Man war aber geneigt, Mehmed IV. zu glauben, der Leopold I. geschrieben hatte, er führe 13 Könige und 1,3 Millionen Soldaten um dessen "Ländchen mit Krieg zu überziehen". Tatsächlich dürften es maximal 140.000 Mann gewesen sein, wovon 50-70.000 reguläre Truppen waren und der Rest Troßknechte, Handwerker und Händler. Den Entschluss, bis Wien vorzustoßén und die Stadt zu belagern hatte Kara Mustapha erst gefasst, nachdem die Türken ohne großé Mühen die Festung Raab erobern konnten und Karl von Lothringen, der kaiserliche Oberbefehlshaber in Ungarn sich zurückgezogen hatte, um auf Hilfskontingente zu warten. Wäre Wien gefallen, hätten die Türken es Ungarn angegliedert werden unter einer von ihnen abhängigen Satellitenregierung, aber sie hätten wohl kaum den Plan verfolgt ganz Mitteleuropa zu annektieren.
Trotzdem war die Angst vor einer Eroberung durch die Türken und ihre Hilfstruppen groß, aufgestaute über Generationen überlieferte Phantasien vor islamischen Scharen waren entfesselt und wurden auch durch die Türken und ihre Verbündeten gezielt geschürt. Dass die Osmanen ihren christlichen Untertanen größere religiöse Freiheiten ließen, als die meisten europäischen Potentaten war vergessen.
Die Belagerten hatten harte Wochen zu überstehen, und die türkischen Mineure waren einige Male nahe dran, die Stadt zu erobern, vor allem die Loebelbastei war hart umkämpft.