Unser Bild vom vorkolonialen Schwarzafrika ist doch das, dass dort in einer steinzeitlichen Kultur "wilde Negerstämme" [bitte Anführungszeichen beachten!] hausten, die vielleicht durch Handel ein paar Metallgegenstände hatten und deren Horizont nicht weit über ihren Kral hinausging. Bei Asien dagegen haben wir dann doch als erstes China und Indien im Sinn, wenn wir an ihre Kolonialisierung denken, also entwickelte Reiche.
(gleich vorweg: die nachfolgenden Überlegungen haben nicht direkt mit Geschichte, sondern mit Stoff- und Motivgeschichte zu tun)
die sagenhaften Reichtümer, die Goldländer, man projizierte diese entweder in ferne, noch zu erobernde, noch zu entdeckende Länder, oder in von Ferne bekanntes: sagenhaft reich muss der Maharadscha von Indien sein, die Seidenstraße, der Kaiser von China. Indien, Indienfahrten, Marco Polo. El Dorado, das Goldland der terra nova.
...aber Afrika? Afrika lag vor der Tür, just auf der anderen Seite des Mittelmeers, und das war zu nah, um Berühmtheit und Wünsche zu erlangen. Die Königin von Saba? Antik, mythisch. Pyramiden und Sphinxe? Ägyptisch: kannte man längst, und in Kairo herrschten beinahe europäische Sitten, wurden europäische Opern uraufgeführt. Karthago schon von den Römern längst zerstört. Lästige Muselmanen hausen an den nordafrikanischen Küsten, da muss man schon ein wenig Angst haben und allerlei Abenteuerromane und Singspiele verfassen, in welchen solche ausgetrickst werden. Und das Hinterland? Da war kein Alexander der Große, da war kein Cortez, kein Pizarro - da herrschten schmutzige Geschäfte, schwarzes Gold, Sklavenhandel großen Stils, und das war - schließlich war man Christ, gegebenenfalls auch aufgeklärt - unangenehm.
Noch im 19. Jh. (!) eher antik-mythisches als belle epoche Projektion, man denke an Flauberts Salambo, an Saint-Saens Samson - kein Balzac, kein Zola widmete sich den Sklavenhändlern.
...stoff- und motivgeschichtlich: ist Afrika sozusagen
peinlich. Da hatte sich niemand ein Ruhmesblatt geholt, und später, im 19. Jh., waren die Expeditionen zur Entdeckung der Nilquellen gar nicht soo sehr der Renner wie Humboldts Amazonasreise.
Südamerika, Australien, Nordwest-Passage, sodann Weltumsegelungen (als Botaniker hatte Adalbert von Chamisso, der romantische Dichter, an einer teilgenommen) - aber Afrika blieb peinlich, unangenehm, hinter vorgehaltener Hand. Auch die Gemälde von Delacroix verarbeiteten nur nordafrikanische Motive.
Seltsam, dass der Kontinent der Löwen und Elefanten so im Windschatten blieb - und im Windschatten der populäreren Motive grausam ausgeplündert wurde.