muck
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Hallo zusammen!
Zu folgender Frage würde ich gerne die Meinung der Foristen hören:
Bereits in der ersten Hälfte des Spätmittelalters tauchen in abendländischen Wappenbüchern bzw. -rollen Wahrzeichen auf, die nicht-christlichen Herrschern zugeordnet sind. Ich spreche nicht von den "guten Heiden" wie Alexander dem Großen, die zum guten Ton der mittelalterlichen Legendenbildung gehörten, sondern ganz konkret von einer Reihe von Königreichen und Herrschaften im wohl mehrheitlich islamischen Raum.
Gab es eine solche morgenländische "Heraldik" im engeren Sinne?
und
Wenn es sie nicht gab, wie fanden diverse dieser Wappen über Jahrhunderte Akzeptanz im Abendland? Was war das Motiv dahinter?
Mein Diskussionsbeitrag:
Zweifellos benutzten islamische Herrscher Feld- und andere Wahrzeichen als Insignien ihrer Macht. Schon von Almansor von Cordoba sind Feldzeichen mit Suren bekannt, und es wird sie auch davor und danach gegeben haben. Einer heraldischen Kultur i.e.S. scheint aber schon das Bilderverbot im islamischen Kulturkreis zu widersprechen, das zwar nicht im Koran enthalten ist, aber durch frühislamische Überlieferungen und Fatwas diverser Theologen eine starke Grundlage besitzt. In der Gesamtschau scheint es ein zumindest zeitlich bedeutsames Führen von Tier- oder gar Menschenfiguren als "Wappen" durch "rechtgläubige" Herrscher unwahrscheinlicher zu machen.
Rein subjektiv fällt auf, dass die besagten Wappen nur in Wappenrollen aufzutauchen scheinen, wohingegen sie z.B. in Stichen etc., etwa der (indes späteren) Wiener Belagerungen, nicht auftauchen. Archäologische Funde zu diesem Thema kenne ich fast keine — aber die, die ich kenne, erwecken den Eindruck, dass nur Koransuren oder islamische Identifikationssymbole wie der Halbmond mit Stern und Vergleichbares verwendet wurden. Im Bereich der Schia war auch das Schwert Zulfiqar ein beliebtes Motiv für Machtinsignien.
Hier geht es jedoch um Darstellungen abendländischen Zuschnitts.
Mein frühester Fund morgenländischer "Wappen" findet sich unter den vordersten Abbildungen in Segar's Wappenrolle (England, ca. 1282,), aber sie tauchen bis ins 16. Jahrhundert und auch in berichtigten Kopien älterer Schriften aus dem 17. und 18. Jahrhundert noch auf. Teils halten sich die Darstellungen über Jahrhunderte mehr oder weniger gleich, was schon gegen reine Phantasiegebilde eines einzelnen Zeichners spricht.
Beispiele:
- Geteilt von Gold und Schwarz, ein roter Greif ("König von Ägypten" - Segar's, 1280er)
- In Blau drei im Dreipass gestellte silberne Arme, ein Schwert haltend ("Eroberer von Tartarstan", gemeint ist aufgrund der politischen Situation der Zeit wohl ein "tartarischer Eroberer" - Segar's, 1280er)
- In Schwarz drei silberne Dolche über einem Dreiberg. ("Persien und Mauren" - Zürcher, 1340er)
- In Gold 2 über 1 schwarze Schachfiguren ("Moslemischer König von Marokko" - Zürcher, 1340er)
- dasselbe in abweichender Tingierung ("Kaiser von Persien" - Namenloses Wappenbuch (BSB Cod.icon. 392 d), 1500er)
Besonders viele Darstellungen dieser Art finden sich in Grünenbergers Wappenbuch (1480er). Im Widerspruch zum Bilderverbot finden sich dort besonders viele Tier- und Menschenfiguren.
Zweifelsohne wurde in jener Zeit viel nach dem Stille-Post-Prinzip kolportiert. Falsche Vorstellungen könnten nach Europa gelangt sein und sich problemlos lange gehalten haben — aber über Jahrhunderte, und in der herrschenden Klasse, für die die Wappenbücher i.d.R. bestimmt waren? Diplomatische Kontakte zwischen den Kreuzfahrerstaaten und ihren islamischen Nachbarn, sowie auch zwischen den christlichen und islamischen Herrschern der iberischen Halbinsel sind weidlich belegt. Kurz gesagt: Die Theorie erscheint etwas schwach, aber ich nehme an, dass diese Kontakte dazu geführt hätten, dass falsche Wappen früher oder später verworfen worden wären.
Freilich hätten ebendiese Kontakte auch eine hypothetische morgenländische Heraldik durchaus befruchten können. Umgekehrt hätten christliche Herrscher das Motiv haben können, ihre Verhandlungspartner und Feinde "heraldisch" aufzuwerten.
Nicht zuletzt hätten die Ersteller der Wappenrollen oder deren Auftraggeber das simple Motiv haben können, die Werke durch Exotik und Komplexität aufzupeppen.
Zu folgender Frage würde ich gerne die Meinung der Foristen hören:
Bereits in der ersten Hälfte des Spätmittelalters tauchen in abendländischen Wappenbüchern bzw. -rollen Wahrzeichen auf, die nicht-christlichen Herrschern zugeordnet sind. Ich spreche nicht von den "guten Heiden" wie Alexander dem Großen, die zum guten Ton der mittelalterlichen Legendenbildung gehörten, sondern ganz konkret von einer Reihe von Königreichen und Herrschaften im wohl mehrheitlich islamischen Raum.
Gab es eine solche morgenländische "Heraldik" im engeren Sinne?
und
Wenn es sie nicht gab, wie fanden diverse dieser Wappen über Jahrhunderte Akzeptanz im Abendland? Was war das Motiv dahinter?
Mein Diskussionsbeitrag:
Zweifellos benutzten islamische Herrscher Feld- und andere Wahrzeichen als Insignien ihrer Macht. Schon von Almansor von Cordoba sind Feldzeichen mit Suren bekannt, und es wird sie auch davor und danach gegeben haben. Einer heraldischen Kultur i.e.S. scheint aber schon das Bilderverbot im islamischen Kulturkreis zu widersprechen, das zwar nicht im Koran enthalten ist, aber durch frühislamische Überlieferungen und Fatwas diverser Theologen eine starke Grundlage besitzt. In der Gesamtschau scheint es ein zumindest zeitlich bedeutsames Führen von Tier- oder gar Menschenfiguren als "Wappen" durch "rechtgläubige" Herrscher unwahrscheinlicher zu machen.
Rein subjektiv fällt auf, dass die besagten Wappen nur in Wappenrollen aufzutauchen scheinen, wohingegen sie z.B. in Stichen etc., etwa der (indes späteren) Wiener Belagerungen, nicht auftauchen. Archäologische Funde zu diesem Thema kenne ich fast keine — aber die, die ich kenne, erwecken den Eindruck, dass nur Koransuren oder islamische Identifikationssymbole wie der Halbmond mit Stern und Vergleichbares verwendet wurden. Im Bereich der Schia war auch das Schwert Zulfiqar ein beliebtes Motiv für Machtinsignien.
Hier geht es jedoch um Darstellungen abendländischen Zuschnitts.
Mein frühester Fund morgenländischer "Wappen" findet sich unter den vordersten Abbildungen in Segar's Wappenrolle (England, ca. 1282,), aber sie tauchen bis ins 16. Jahrhundert und auch in berichtigten Kopien älterer Schriften aus dem 17. und 18. Jahrhundert noch auf. Teils halten sich die Darstellungen über Jahrhunderte mehr oder weniger gleich, was schon gegen reine Phantasiegebilde eines einzelnen Zeichners spricht.
Beispiele:
- Geteilt von Gold und Schwarz, ein roter Greif ("König von Ägypten" - Segar's, 1280er)
- In Blau drei im Dreipass gestellte silberne Arme, ein Schwert haltend ("Eroberer von Tartarstan", gemeint ist aufgrund der politischen Situation der Zeit wohl ein "tartarischer Eroberer" - Segar's, 1280er)
- In Schwarz drei silberne Dolche über einem Dreiberg. ("Persien und Mauren" - Zürcher, 1340er)
- In Gold 2 über 1 schwarze Schachfiguren ("Moslemischer König von Marokko" - Zürcher, 1340er)
- dasselbe in abweichender Tingierung ("Kaiser von Persien" - Namenloses Wappenbuch (BSB Cod.icon. 392 d), 1500er)
Besonders viele Darstellungen dieser Art finden sich in Grünenbergers Wappenbuch (1480er). Im Widerspruch zum Bilderverbot finden sich dort besonders viele Tier- und Menschenfiguren.
Zweifelsohne wurde in jener Zeit viel nach dem Stille-Post-Prinzip kolportiert. Falsche Vorstellungen könnten nach Europa gelangt sein und sich problemlos lange gehalten haben — aber über Jahrhunderte, und in der herrschenden Klasse, für die die Wappenbücher i.d.R. bestimmt waren? Diplomatische Kontakte zwischen den Kreuzfahrerstaaten und ihren islamischen Nachbarn, sowie auch zwischen den christlichen und islamischen Herrschern der iberischen Halbinsel sind weidlich belegt. Kurz gesagt: Die Theorie erscheint etwas schwach, aber ich nehme an, dass diese Kontakte dazu geführt hätten, dass falsche Wappen früher oder später verworfen worden wären.
Freilich hätten ebendiese Kontakte auch eine hypothetische morgenländische Heraldik durchaus befruchten können. Umgekehrt hätten christliche Herrscher das Motiv haben können, ihre Verhandlungspartner und Feinde "heraldisch" aufzuwerten.
Nicht zuletzt hätten die Ersteller der Wappenrollen oder deren Auftraggeber das simple Motiv haben können, die Werke durch Exotik und Komplexität aufzupeppen.