andreassolar
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Die zweibändige Hitler-Biographie von Ian Kershaw, die vielfach immer noch als 'maßgeblich' eingeschätzt wird, kann selbstredend nicht in sämtlichen Details den Kontext angemessen wiedergeben.
So notiert Kershaw, Hitler Bd.1 S. 169, unmittelbar, bevor er Hitlers Brief vom 16. Sept. 1919 an Gemlich im nächsten Abschnitt streift, der Kommandeur des Lagers Lechfeld, Oberleutnant Bendt, habe es für nötig gefunden, Hitler zu bitten, dessen Antisemitismus zu dämpfen, um Beschwerden vorzubeugen, die Referate seien 'Judenhetze'.
Bendt, der keinesfalls Kommandeur des DULAG (Durchgangslager) Lechfeld gewesen war und sein konnte als Oberleutnant, sondern nur Chef einer dorthin abkommandierten Reichswehr-Kompagnie - das DULAG hatte allein etwa 30 eigene Wachkompagnien (Plöckinger, Unter Soldaten und Agitatoren, S. 114 + 116), hatte in einem Bericht vom 25. August 1919 an das Reichswehrgruppenkommando 4 über die Tätigkeit des von Hauptmann Mayr eingesetzten Aufklärungskommandos zur Bekämpfung 'bolschewistischer Aktivitäten' im DULAG u.a. geschrieben:
''Gelegentlich eines sehr schönen, klaren und temperamentvollen Vortrags des Gefr. Hitler über den Kapitalismus, der dabei die Judenfrage streifte, ja streifen mußte, entstanden über die Art und Weise gelegentl. einer Besprechung d. Abteilg. mit mir Meinungsverschiedenheiten, ob man klar und unverblümt seine Meinung äußern solle, oder in etwas verschleierter Form. Es wurde angeführt, die Abteilg. sei von Gruppenkdo. Möhl aufgestellt und in dienstlicher Eigenschaft tätig. Wenn nun die Judenfrage in ganz klarer Form unter bes. Berücksichtigung des germanischen Standpunktes dargestellt würde, so könnte leicht diese Erörterung den Juden Anlaß geben, die Vorträge als eine Judenhetze zu bezeichnen. Ich sah mich deshalb veranlaßt anzuordnen, daß bei Behandlung dieser Fragen möglichst vorsichtig vorgegangen werden solle und daß zu deutliche Hinweise auf die dem deutschen Volke fremde Rasse nach Möglichkeit zu vermeiden seien.''
(Bendt zitiert nach: Ernst Deuerlein, Hitlers Eintritt in die Politik und Reichswehr, in 'Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte', 1959, Heft 2, S. 199).
Kleine und feine wie wichtige Unterschiede, meine ich doch.
Bei Deuerlein, Hitlers Eintritt, Vierteljahreshefte, S. 193, Dokument 3, wird der Lagerkommandant des Lechfeldlagers namentlich erwähnt: General Raab.