Nun, wir haben den Bericht vom Sterben und der Auferstehung Jesu. Unser praktisches Weltwissen verrät uns, dass die Auferstehung unmöglich ist. Nun gibt es Menschen, die aber nicht die Wiederauferstehung verwerfen, sondern mit dem praktischen Weltwissen harmonisieren wollen. Dann kommen dann meist solche Konstrukte raus wie: der war gar nicht wirklich tot, sondern nur bewusstlos, oder auch - dies im Übrigen kommt auch in der christlichen antiken Literatur vor als Vorwurf, der den Christen gemacht wird - die Christen hätten den Leichnam aus dem Grab entfernt.
Von mir aus kann jeder Kreuzestod und Auferstehung Christi als Faktum für sich akzeptieren, wer sich als Christ versteht, muss das sogar tun, aber intersubjektiv kann man von einem Historiker nicht verlangen, das zu akzeptieren. Der Historiker kann den Narrativ untersuchen aber er kann in dieser Rolle nicht akzeptieren, dass der tote Jesus wiederauferstanden ist. Dann argumentiert er nicht mehr als Historiker, sondern als Glaubender. Er kann beides sein, aber er sollte die Rollen nicht verwechseln.
Deshalb muss er aber nicht gleich den ganzen Text verwerfen. Auch nicht für die Ereignishistorie. Obwohl die schon Probleme aufwirft: Was wollte Pilatus in Jerusalem? Allein das kann man schon als Provokation werten...
Wenn nun eine Quelle an einer Stelle eindeutig Quatsch erzählt... müssen wir sie dann in cummulo verwerfen?
Nehmen wir mal an, wir hätten einen Ritter vom Niederrhein, der im 15. Jhdt. einige Pilgerreisen unternimmt, zB. nach Santiago de Compostella und nach Jerusalem. Er gibt detaillierte Meilenangaben seiner Reise, nennt Grenzärgernisse, beschreibt juristische Sitten und nennt für die Regionen, die er besucht einen kleinen Wortschatz mit Brot, Fleisch, einigen Zahlen und einen Anbändelsatz für den engeren körperlichen Kontakt mit weiblichen Schankwirtschaftsangestellten: auf französisch, spanisch, baskisch, arabisch, aramäisch, türkisch, griechisch, albanisch, serbokroatisch.... Auf dem Weg nach Jerusalem biegt dieser niederrheinische Ritter hinter Alexandria nach Süden ab und begegnet dann allerlei Wesen, die man sich in Afrika im Mittelalter vorstellte, wie sie z.B. am rechten Rand Ebstorfer Weltkarte oder des Hereford Psalter dargestellt sind. Diesen Phantasiewesen, behauptet der Reisende, der bisher fast langweilig seriös seinen Reisebericht runtergeschrieben hat, begegnet zu sein. Verwerfe ich nun die ganze Quelle? Natürlich nicht. Aber ich glaube dem guten Mann, der bisher über jede Meile, die er gereist ist, Rechenschaft abgelegt hat, und plötzlich für einen kurzen Zeitraum diffuse Angaben macht, über seinen Abstecher nach Süden kein Wort.
Ist im Übrigen kein fiktives Beispiel, sondern beschreibt den Reisebericht des Arnold von Harff. Wir können seine Angaben in diesem Abschnitt nicht mit der Realität harmonisieren. Wir können feststellen, woher er seine Idee hatte und den narrativen Bruch untersuchen. Einen solchen narrativen Bruch gibt es natürlich in den Evangelien nicht. Aber da haben wir auch schon den nächsten Aspekt... Die Evangelien werden immer wieder als Jesus-Biographien missverstanden. Sind sie nicht. Sie berichten im Prinzip, mit wenigen Ausnahmen von Johannes und Jesu Geburt, der Flucht nach Ägypten (unhistorisch), der Lehrtätigkeit des Zwölfjährigen im Tempel, nur von den letzten Lebensjahren Jesu, der Tätigkeit als Wanderprediger und Wunderheiler. Vieles davon dürfte historisch sein. Insbesondere die Inhalte seiner Reden. Aber schon im Begriff Evangelium ("eu" - 'gut' - "angelios"- 'Botschafter' + "-ion" Derivationsvationssuffix = "gute Botschaft") bezeichnet die Evangelien als eigene Quellengattung. Es wäre eine sträfliche Vernachlässigung der historischen Arbeitsweise, das zu ignorieren. Es sind religiöse Texte, geschrieben für die Gläubigen bzw. für den Vortrag vor zu Missionierenden.