Scorpio
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Lag es daran, dass man nicht wollte oder das man nicht konnte?
Reinecke hat oben schon behauptet die Sklaverei als solche hätte die industrielle Entwicklung gehemmt.
Ich muss sagen, mit Verweis auf die Verhältnisse in Maryland, sehe ich das nicht. Der Staat war 1860 ein Sklavenstaat, du hattest auf die Beschreibung der Sklaverei dort durch Douglass hingewisen.
Auf der anderen Seite war Baltimore als größte Stadt in diesem Bundesstaat aber eine boomende Industriemetropole mit immerhin über 200.000 Einwohnern. (zum Vergleich Köln hat 1861 knapp 120.000, München knapp 150.000, Hamburg 180.000, Dresden 150.000 Einwohner nur um das mal in Relation zu setzen).
Ich denke nicht, dass die Sklaverei oder bloßer Unwille der Eliten eine Industrialisierung besonders hemmte, ich sehe da in weiten Teilen des Südens eher ein Energieproblem und geographische Faktoren am Werk.
Maryland lässt sich aber tatsächlich nur schwer mit Staaten wie Alabama, Mississippi oder Georgia vergleichen.
Latifundien und Großplantagen waren dort sehr selten. Auch Sklavenhalter, die wie der ehemalige Gouverneur mehr als 1000 Sklaven besaßen waren dort selten. Die waren auch nicht alle auf einer Farm konzentriert. Bei dem Imperium von Eduard Lloyd handelte es sich eher um ein Konglomerat von mittelständischen Farmen, und es wurde dort auch keine Baumwolle kultiviert, sondern Tabak, Weizen und Mais.
Die Sklaverei war aber schon ein gewaltiges Hemmnis. Die Nebenkosten der Sklavenhaltung waren lächerlich gering. Douglass schrieb, dass die Sklaven einen Scheffel Mais, 6 Pfund Schweinefleisch, und ein paar Kleidungsstücke bekamen als Monatsration- und das wars. Die Grundnahrungsmittel, mit denen die Sklaven ernährt wurden, ließen sich selbst produzieren. Das waren wirklich Peanuts.
Wenn man Arbeitskräfte hat, die praktisch zum Nulltarif verfügbar sind, wenn man die besten und fruchtbarsten Böden besitzt und Einfluss auf die Regierung hat, da fehlt ja nun jeder Anreiz, das Wirtschaftssystem zu wechseln. Es kam auch vor, dass Sklaven als besonders qualifizierte Fachkräfte vermietet wurden.
Für Industrialisierung wären auch erhebliche Investitionen nötig gewesen, und es hätte Arbeitskräfte gebraucht, die aber schon in der Landwirtschaft (oder im Schiffsbau) gebunden waren.
Baltimore war vor allem durch den Schiffsbau aufgeblüht. Hugh Auld, der Bruder von Douglass Herrn, war dort als Schiffsbauer tätig, und Douglass fand Arbeit als Kalfaterer. In einem Kapitel beschreibt er, dass Kollegen sich weigerten mit Schwarzen zu arbeiten.
Von seiner Wirtschaftsstruktur (Schiffsbau, Industrie Landwirtschaft unterschied sich Maryland stark von Staaten wie Alabama, Mississippi oder Louisiana. Es gab deutlich weniger Latifundien und Großplantagen, weniger Sklavenhalter die mehr als 100 Sklaven besaßen.
Sklaven spielten aber dennoch im Wirtschaftsleben eine wichtige Rolle. EIin Großteil der Arbeitskräfte im Schiffsbau, der Hafenarbeiter in Baltimore waren Sklaven. Es gab Betriebe, die keine eigenen Sklaven besaßen und sie bei Bedarf anmieteten. Douglass berichtet von einem Mr. Freeland, der in der Erntezeit die Arbeitskräfte anmietete. Es gab Sklavenhalter, die daran verdienten, ihre Sklaven zu vermieten.
In seiner wirtschaftlichen Struktur unterschied sich Maryland stark von Alabama, Mississippi, Louisiana oder Florida wo vor allem Baumwolle und Zuckerrohr kultiviert wurden.
In Virginia oder Maryland gab es eine größere Zahl von Sklaven, die qualifizierte Tätigkeiten verrichteten, es war nicht die Baumwolle das wichtigste Produkt, und es gab deutlich weniger Sklavenhalter die große Zahlen von Sklaven hielten. Im Wirtschaftssystem spielten sie dennoch eine bedeutende Rolle. Es gab wie gesagt Landwirte, die wie Mr. Freeland in der Erntesaison Arbeitskräfte anmieteten, statt sie das ganze Jahr über zu halten.
Kleinere Sklavenhalter verdienten gut an der Vermietung von qualifizierten Fachkräften. Auch in Wirtschaftszweigen, die man vordergründig gar nicht mit der Sklaverei in Verbindung bringen würde (Schiffsbau) waren große Zahlen von Sklaven tätig.
Wollte man in Staaten wie Maryland die Industrie aufbauen, hätte man mit der Konkurrenz der Eliten rechnen müssen, es wären große Investitionen nötig gewesen und man hätte Arbeitskräfte gebraucht und hätte mit der Konkurrenz sehr billiger (qualifizierter) Arbeitskräfte sich arrangieren müssen.
Die Arbeiter, die nicht mit Fred Douglass arbeiten wollten, taten das nicht nur aus rassistischen Motiven, sondern vor allem weil unfreie Schwarze ihnen die Löhne drücken konnten.
Jeder potentielle Investor hätte es mit starker Konkurrenz einer sehr gut vernetzten Elite zu tun gehabt und er hätte große Schwierigkeiten gehabt, in ausreichender Zahl qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen. Oder anders ausgedrückt sich durchzusetzen gegen gut vernetzte Eliten, deren Fachkräfte praktisch gratis arbeiteten und für deren Unterhalt man mit 30 kg Mais, 6 Pfund Schweinefleisch einer Jacke, einer Hose und einem Paar Schuhe auskam.