Wörterraten
Laut dem Langenscheidts TaschenWB Arabisch ist das die Rippenfellentzündung.
Nicht nur da. Im Wehr 5. Auflage findet man unter dem Lemma ذات
ḏāt u.a. auch:
ذات الجنب ḏ. al-ğanb Rippenfellentzündung, (auch = ذات الرئة) Lungenentzündung (med.)
Unter الجنب
ğanb wird unter dieser Wendung zusätzlich noch »Brustfellentzündung« angegeben.
Nun ist der Wehr kein medizinisches Fachwörterbuch, aber allgemein schon sehr zuverlässig. Ich gestehe, dass mir weder
»Brustfellentzündung« noch
»Rippenfellentzündung« und ich erst bei
google um Rat gesucht hab, doch beides hat wohl eher nichts mit dem Blinddarm zu tun. (Da lass ich freilich auch eines Besseren belehren.)
Wörtlich kann man darauf tatsächlich mit Mühe und Not eine
»Seitenkrankheit« machen – was auch immer das sein mag …
Die Blindarmentzündung ist nach diesem Buch Iltihāb al-A'awar.
Letzte Wort kam mir aus dem Hebräischen bekannt vor: המעי העיוור
meʿī ʿiwer(Gemination und Schwa und verschiedene Längen von
a und
e habe ich in der Umschrift nicht gekennzeichnet, da ohnehin nicht gesprochen in Modernem Hebräisch). Das ist wörtlich ein
blinder Darm. (Daneben gibt es laut Langenscheidt Handwörterbuch Hebräisch Deutsch auch die Varaianten מעי אטום
meʿī aṭūm ein
verschlossener Darm und das sprachlich interessantere תוספתן toseftan, sicherlich von תוספת
Zusatz oder dem zugehörigen Verb, als Lehnübersetzung von
appendix?. Beide lasse ich jetzt aber außen vor.)
Da der Ausflug in die Innereien kein reiner Selbstzweck gewesen soll. Bei HAL (Koehler/Baumgartner, Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament) findet man (wenig überraschend) nichts zum Blinddarm. Den etymologischen Angaben zufolge scheint das Verb
ʿwr aber gemeinsemitisch zu sein – zitiert sind etliche Kognaten in der Beudeutung
blind sein,
blenden,
einäugig sein.
Kleins
Comprehensive Etymological Dictionary of the Hebrew Languageund den Even-Shoshan (enthalten beide etymologische Informationen) habe ich zwar nicht zu Hause, behaupte aber trotzdem mal, dass
meʿī ʿiwer eine Lehnübersetzung aus einer europäischen Sprache ist (vielleicht aber auch aus dem Arabischen). Und gleiches gilt bestimmt auch für das (ähnliche) arabische المعي الاعور al-maʿy al-aʿwar, eben Blinddarm. Iltihāb al-aʿawar ist dann auch wörtlich eine Blinddarmentzündung.
Also das ist auch eher eine Lehnübersetzung aus einer europäischen Sprache, oder vielleicht auch vom Arabischen ins Lateinische. Das halte ich aber für unwahrscheinlicher – müsste man eben auch einem etymologischen Wörterbuch nachschlagen.
Also den Kram mal zusammengefasst: Weder Wortspielereien mit der
»Seitenkrankheit« noch mit der
»Blinddarmentzündung« helfen weiter den Ursprung des Begriffs
»Seitenkrankheit« zu finden.
Wir könnten als nächsten Schritt z.B. schauen ob z.B. ob
Ibn Sīnā überhaupt benutzt.
\\Edit:
Ich habe meine diversen Wörterbücher befragt. Sie spucken folgendes aus.
Ach Du warst schon ein paar Stündchen schneller. Hatte gestern irgendwie angefangen zu schreiben, bin dann bei lynxxx [FONT="]‘[/FONT] [FONT="][/FONT] letztem Link von MdEP/Die Grünen Frieder Otto Wolf gestoßen. Hab mich geärgert, dass dort eingangs ganz selbstverständlich auf Edward Saids
Orientalism verwiesen wird – ganz so als sei das eine wissenschaftliche Arbeit und keine bigotte, politisch aufgeladene Kampfschrift wäre (Vielleicht schreibe ich noch etwas dazu).
Dann bin ich durch einen Chat noch mal fast die ganze Nacht bei Alfred Tarski und mathematischer Logik gelandet und fast eingeschlafen nebenbei. Und nun sehe ich: Eigentlich hätte ich mir den ganzen Beitrag auch sparen können.
Dumm gelaufen. Und nun bin ich todmüde.
Das Wort Seitenkrankheit ist so wunderschön unscharf. Solche Begriffe gibt es im Arabischen (und im Persischen als arabische Lehnwörter oder originär persische Wörter) zuhauf.
Ah. Da bin ich zumindest nicht der einzige mit dem Eindruck. In Bergsträssers Klassiker Einführung in die semitischen Sprachen S.134f heißt es da (zugegebener Weise über
Altarabisch):
Trotz dieser Züge hoher Altertümlichkeit ist das Arabische im ganzen der augeprägteste Vertreter einer jüngeren Ausgestaltung des semitischen Sprachcharakters: alte Freiheiten, Einzelabweichungen und Unbestimmtheiten sind getilgt, im Formelbau durch Durchführung einheitlicher Analogien, in der Syntax durch feste Regelung der Anwendungsmöglichkeit und genaue Abgrenzung des Bedeutungsbereichs aller syntaktischen Ausdrucksmittel. So ist ein System von großer Präzision und Eindeutigkeit entstanden. das dabei den allergrößten Teil der überhaupt vorhandenen Möglichkeiten fruchtbar ausnützt.
Darüber staune ich immer wieder. Modernes Standardarabisch folgt im Grunde immer noch dem gleichen syntaktischem System. Aber z.B. bei moderner Philosophie oder wissenschaftlichen Begriffen finde ich es nicht unbedingt differenziert oder besonders Präzise. Da steht dann sogar Französisch oder das von Bergsträsser so gescholtene Moderne Hebräisch besser da.
Davon abgesehen ist das Buch so und so großartig und seine ab und an eingestreuten persönlichen Meinungen zu einer Sprache sind hier und da für ein Schmunzel gut – trotz des eher trockenen Themas.