Mir ist immer noch nicht klar, was du genau meinst. Im frühen 19. Jhdt befindet sich die Industriealisierung in Deutschland doch noch in den Kinderschuhen, mit einem hohen Anteil an Heimarbeit als Nebenerwerb. Die Generationen, die von 1830-1850 geboren wurden, waren ab Mitte des 19. Jhdt die Arbeitskräfte der Industriealisierung in der Gründerzeit.
Die Industrialisierung beginnt überhaupt erst mit der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt 1789, die ein Zeitalter der Maschinen und Fabriken einleitete. Ausgehend von England als führender Industrienation erfasste die Entwicklung um 1830 auch Mitteleuropa und Deutschland. Während in England jedoch die Textilindustrie der Industrialisierung zum Durchbruch verhalf, war in Deutschland der Eisenbahnbau der auslösende Faktor. Staatliche Maßnahmen förderten die Entwicklung aller Industriesparten und bildeten eine wichtige Voraussetzung für Deutschlands industriellen Aufschwung.
Im Vergleich zu England erfolgte die Industrialisierung in Deutschland zeitlich verzögert. Die Phase der so genannten
Frühindustrialisierung dauerte bis Mitte des 19. Jh. Erst ab 1850 erfolgte der umfassende Ausbau der Industrie, um 1900 schließlich war Deutschland eine Industriegesellschaft.
Die territoriale Zersplitterung Deutschlands erwies sich lange als Hemmnis der industriellen Enzwicklung. Unterschiedliche Rechtssysteme und Zollgrenzen lähmten den Verkehr zwischen den einzelnen Territorien. Zwar gab es in Städten wie Augsburg, Nürnberg oder Solingen Schwerpunkte handwerklicher Fertigung und in einigen Mittelgebirgen Zentren mit Heimarbeitern. Doch blieb die Zahl der dort Beschäftigten gering, denn die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung arbeitete in der Landwirtschaft. In den Städten regelten Zünfte die handwerkliche Produktion, was sich hemmend auswirkte.
Einen wichtigen Schritt in die Zukunft bildeten Reformen, die Länder wie Preußen oder Bayern einleiteten. Die Bauernbefreiung beendete die jahrhundertelange Erbuntertänigkeit, ermöglichte den Bauern die Selbstständigkeit oder zwang sie zur Lohnarbeit. Weitere Gesetze hoben den Zunftzwang auf und gewährten allen Bewohnern Freizügigkeit und Gewerbefreiheit. So konnte jeder einen Betrieb mit beliebigen Produkten eröffnen. Schließlich trug auch die Handelspolitik entscheidend zum Wandel der deutschen Wirtschaftsstruktur bei. 1818 schaffte Preußen die Zölle zwischen den Provinzen ab, die süddeutschen Staaten reagierten 1828 mit der Gründung eines eigenen Zollvereins und 1834 schuf der auf Anregung Friedrich Lists zu Stande gekommene
Deutsche Zollverein allmählich einen einheitlichen deutschen Wirtschaftsraum.
Nach zögerlichem Beginn vollzog sich zwischen 1850 und 1870 der Durchbruch zur Industriegesellschaft. Diese Periode wird in der Forschung oft als "Take-off-Phase", als Phase des endgültigen "Abhebens" bezeichnet. Die Industrialisierung breitete sich allerdings in regional unterschiedlicher Geschwindigkeit aus, zuerst in Schlesien, Sachsen und im Rheinland, später in Westfalen, Hessen, Baden, Württemberg und Bayern. Neben Industrieregionen gab es immer noch von wirtschaftlichen Neuerungen weitgehend unberührte Gebiete. Während die politischen und sozialen Veränderungen durch das Scheitern der Revolution 1848/49 gehemmt wurden, setzte sich der Prozess der Industrialisierung beschleunigt fort.
Im
Ruhrgebiet setzte die Industrialisierung übrigens verhältnismäßig spät ein. Um die Mitte des 19. Jh. war es noch weitgehend ländlich geprägt und die etwa 300 000 Einwohner verteilten sich auf kleine Landstädte und Dörfer. Erst 1837 wurde der erste Bergwerksschacht eingerichtet und 1847 erreichte die erste Eisenbahnlinie das Ruhrgebiet. Durch seine Kohlevorkommen entwickelte sich die Region allerdings rasch zum industriellen Ballungszentrum. Zwar hatte man hier schon seit dem Mittelalter in Kleinschachtanlagen Kohle gefördert, doch konnte der steigende Brennstoffbedarf der Hochöfen und Dampfmaschinen damit nicht länger gedeckt werden. So kam es zu einer Verkoppelung von Eisenindustrie und Kohlebergbau d.h. von Bergbau und Schwerindustrie.
Deutlich wird das rasante Wachstum an den Einwohnerzahlen von Städten. So zählte Essen im Jahr 1850 nur 9000 Einwohner, 1880 bereits 57 000 und hatte 1910 eine Einwohnerzahl von 300 000 erreicht.