Durch diese beiden Strömungen komme ich nun auf die Frage, ob die Cristero-Rebellion eine religiöse Rebellion war?
Ja, man kann das so sehen. Die nachfolgend skizzierte Backstory lässt kaum einen anderen Schluss zu.
Einer der wesentlichen Ausgangspunkte in der verwickelten Vorgeschichte der Cristero-Rebellion war die mexikanische Revolution von 1910, die von Francisco Madero gegen Präsident José de la Cruz Porfirio Diaz Mori geführt wurde und mit Maderos Präsidentschaft im Jahr 1911 ihren erfolgreichen Abschluss fand.
Diaz hatte das Land seit 1876 über mehrere Amtszeiten regiert und ihm eine relative politische Stabilität gegeben, verfiel - wie in lateinamerikanischen Kulturen kaum anders zu erwarten - aber nach und nach in einen repressiven und von Cliquenwirtschaft gekennzeichneten Regierungsstil, der die Wohlhabenden auf Kosten der armen Landarbeiter begünstigte. Während seiner Amtszeit ab 1905 stärkte er die Stellung der katholischen Kirche in Mexiko durch die Förderung katholischer Erziehung insbesondere in bäuerlichen Gebieten. Die antiklerikalen Gesetze, die in Mexiko vor Diaz´ Regierungszeit etabliert worden waren, wurden von Diaz zwar nicht abgeschafft, aber praktisch außer Kraft gesetzt. Zu seiner pro-katholischen Haltung hatte ihn seine Frau, eine engagierte Katholikin, motiviert.
Die gegen Diaz gerichtete Revolution von 1910 hatte also sozialpolitische Gründe und wurde von der Masse der Landarbeiter und Bauern getragen. Der erste Revolutionspräsident Madero wurde aber schon 1913 von General Huerta, einem Mitstreiter Maderos bei der Revolution, abgesetzt und hingerichtet. Sein Hauptmotiv war - im Unterschied zum diplomatischen und liberalen Diaz - der Wunsch, Mexiko in den militaristischsten Staat der Welt zu verwandeln, in dem alle Schlüsselpositionen in den Händen der Armee lagen.
Als die Nationale Katholische Partei Mexikos den neuen Präsidenten wegen seiner Politik stark kritisierte, wurde ihr Vorsitzender ins Gefängnis geworfen. Aber auch Huerta konnte sich nur bis 1914 an der Macht halten und wurde von Venustiano Carranza besiegt, der Mexiko bis 1919 regierte und Maderos politisches Programm wiederbelebte. Es kann nach all dem kaum überraschen, dass Carranzas Mitstreiter Alvaro Obregon im Jahr 1919 Carranza absetzte und 1920 selbst die Präsidentschaft antrat.
Obregon fuhr einen relativ weichen Kurs gegenüber der katholischen Kirche und wendete die antiklerikalen Gesetze aus der neuen mexikanischen Verfassung von 1917 nur in Gebieten an, wo der katholische Einfluss gering war.
Das war schon ganz anders beim Atheisten Plutarco Elias Callas, dessen Präsidentschaft ab 1924 die antiklerikalen Kräfte in Mexiko voll zur Entfaltung brachte. Diese Gruppen versuchten nun nicht nur die Macht des Klerus zurückzudrängen, sondern auch das religiöse Denken und Verhalten des Volkes zu eliminieren, indem sakrale Objekte ´entweiht´ und, zur Abschreckung, Mitglieder des Klerus verfolgt und ermordet wurden.
Die antiklerikalen Gesetze von 1917, von Obregon noch weich und selektiv gehandhabt, wurden von Calles kompromisslos im ganzen Land umgesetzt. 1926 installierte er das "Calles-Gesetz" mit seinen harten Strafandrohungen ggen Priester und jedermann, der die Gesetze von 1917 missachtet. So musste z.B. ein Priester, der die Regierung kritisiert, mit 5 Jahren Gefängnis rechnen. Das öffentliche Tragen klerikaler Kleidung wurde mit einer horrenden Geldstrafe geahnet. Zusätzlich wurde klerikaler Besitz enteignet, alle nichtmexikanischen Priester des Landes verwiesen und die Klöster und kirchlichen Schulen geschlossen.
Unter diesem Druck begann ab 1924 die ´Nationale Liga zur Verteidigung religiöser Freiheit´ ihren Widerstand zu formieren. Ihr schloss sich die Mexikanische Katholische Jugend und eine kleine katholische politische Partei an.
1926 begann ein von katholischen Bischöfen unterstützter Wirtschaftsboykott gegen die Regierung, indem Katholiken insbesondere in westzentralmexikanischen Gebieten dazu aufgerufen wurden, Kinos, Theater und öffentliche Verkehrsmittel zu boykottieren und, als Lehrer, den Unterricht in säkularen Schulen einzustellen.
Im August 1926 verbarrikadierten sich 400 bewaffnete Katholiken in einer Kirche in Guadalupe und lieferten sich ein 18 Tote forderndes Feuergefecht mit Regierungstruppen. Sie ergaben sich schließlich, als ihnen die Munition ausging.
(usw.)