Eine schwierige Frage, weil die ikonoklastischen Quellen fast vollständig verschwunden sind, weshalb die genauen Ursprünge dieser bemerkenswerten Bewegung im Dunkeln liegen. Aber ich hab mal meine Notizen ausgegraben
Es ist tatsächlich denkbar, dass Kaiser Leo III., der den Bilderstreit 726 vom Zaun brach, sich die Idee von seinem umayyadischen Gegenüber, Kalif Yazid II. (687-724), abgeschaut hat. Im Juli 721, kurz vor Beginn des Bildersturms also, hatte dieser ein Dekret gegen Bilder erlassen, das für alle Christen galt, die unter seiner Autorität lebten.
Das leuchtet mir persönlich bis zu einem gewissen Grad ein, aber es gibt auch berechtigte Kritik an dieser Sichtweise.
Der Koran verbietet nämlich an keiner Stelle, Menschen oder gar Tiere abzubilden. Eine der Stellen, auf die sich muslimische Ikonoklasten (wie etwa die nicht ganz so antiken Wahhabiten...) berufen ist folgende (Sure V, Vers 90):
»O die ihr glaubt, berauschender Trank, Glücksspiel, Opfersteine und Lospfeile sind nur ein Greuel vom Werk des Satans. So meidet ihn, auf daß es euch wohl ergehen möge!«
Wobei die »Opfersteine« meist nicht nur im engeren Sinne als »Steine, auf denen Opfer dargebracht werden« begriffen sein sollen, sondern eben als Kultobjekte.
Davon abgesehen gibt es noch andere Koranverse, die aber allesamt den Götzenkult verurteilen,
nicht die Statuen, Ikonen und sonstige Kultobjekte als solche. Sonst hätten die Araber ja konsequenterweise z. B. sämtliche Meerträubel (
Haoma) in Persien abholzen müssen, da diese im Zoroastrismus heilig sind... und wohl auch von frühen persischen Muslimen verehrt wurden.
Ab dem VIII. Jhd. gibt es dann aber offenbar eine rege Diskussion innerhalb des Islam, die sich auch in der Hadith-Literatur niederschlägt. Da dies aber über 100 Jahre nach dem Tode des Propheten geschieht und, noch erstaunlicher, quasi-zeitgleich mit dem byzantinischen Bilderstreit, gehen viele Historiker davon aus, dass es sich um einen wechselwirkenden Prozess gehandelt hat, in dem sich beide Seiten gegenseitig beeinflusst haben.
Vielleicht war es sogar umgekehrt und erst die hingebungsvolle Verehrung der Byzantiner zu den heiligen Ikonen löste bei Yazid eine Abwehrreaktion aus!
Als gesichert gilt, dass im Kontakt mit dem Islam (ab dem VIII. Jahrhundert) die ornamentale byzantinische Baukunst und Malerei um einige orientalische Elemente angereichert wurde. Der kulturelle Austausch hat also in künstlerischer Hinsicht auf jeden Fall stattgefunden; da liegt der Gedanke nahe, dass es einen solchen Austausch auch im religiösen Bereich gegeben hat.
Zahlreiche umayyadische Motive, Symbole und Kunsttechniken wurden von den Byzantinern adaptativ übernommen, und umgekehrt hat der Islam natürlich, wie allseits bekannt, in etlichen Wissensbereichen von den Byzantinern gelernt.
Zu den islamisch angehauchten byzantinischen Kunstmotiven zählen etwa der Baum des Lebens; die geteilten (oder geflügelten) Palmetten, welche Rauten oder Kreise füllen; die gegensätzlichen Lyremotive; aber auch die arabische Schrift (der kantige, strenge kufische Stil und die Kursivschrift Naskhi), welche allerdings in Byzanz die Form rein ornamentaler Epigraphik annahm, also eine Kunstform die anders als im Islam keine Offenbarungsfunktion hat, sondern visuell und dekorativ das Wort Gottes und damit auch Seine Gegenwart manifestieren soll.
An sich finde ich es aber schon bemerkenswert, dass ein so untrennbar mit dem Islam verbundenes Element wie die arabische Schrift, von Christen (wenn auch nur zu Dekorationszwecken) übernommen wurde. War hier vielleicht eine Art mittelalterlicher Pantheismus am Werk?
Jedenfalls blieb dieser Einfluss recht bescheiden. Ich glaube, es sind nur sehr wenige Beispiele byzantinisch-arabischer Ornamental-Inschriften erhalten.
Die gängige Meinung ist, dass äußere Einflüsse in der Entstehung des Bilderstreits eine untergeordnete Rolle spielten. Es waren vor allem die religiösen Kontroversen dieser Zeit die sich hier entfaltet haben, zumal Ikonen in frühchristlicher Zeit sehr selten waren. Kaiser Leo III. und seine Anhänger sahen die Ikonenverehrung als eine Art Götzendienst, was auch die politisch-militärischen Schwierigkeiten des Reiches damals erklären sollte. Unterstützung erhielten die Ikonoklasten aus dem Alten Testament (woran einige einen jüdischen bzw. chasarischen Einfluss auf den Bilderstreit ausmachen wollen...).
Der ikonoklastische Widerstand dualistischer (paulinischer) Sekten und archaischer christlicher Gruppen in Kleinasien, wo das Heer rekrutiert wurde, werden wohl auch eine Rolle gespielt haben, ebenso der bemerkenswerte Gegensatz zwischen reichen Griechen und Römern in der Westhälfte des Reiches, welche für die Ikonodulie eintraten, während die anatolisch-syrische, weitgehend bäurische Osthälfte eher ikonoklastisch veranlagt war... wobei das ja genau die Regionen sind, die an den islamischen Machtbereich angrenzten.