"Der Kanal" (1957)

MichaG

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Ich kenne diesen polnischen Spielfilm seit meinen Kinderjahren, er ist ein Albtraum auf Zelluloid.


Wie denkt ihr über diesen "ikonischen" Spielfilm von Wajda, sein Spätwerk "Katyń" war für mich nicht zu ertragen, ich verweigere diesen Film total, ich habe den Film niemals ganz gesehen, und werde den auch niemals komplett sehen. Ich mußte vorher abschalten.

Micha
 
Ich habe den Film gesehen, entweder Mitte der 1970er Jahre, zuhause im 3. Programm des Hessischen Rundfunks oder des Süddeutschen Rundfunks, vermutlich in der Retrospektive der Filme von Andrej Wajda, oder im Studentenkino in Aachen einige Jahre später.

Es ist das Problem der Literarisierung oder der filmischen Umsetzung: Man sieht einen Film und vergleicht ihn mit anderen Filmen. "Das Messer im Wasser" von Roman Polanski, "Popiół i diament" von Andrzej Wajda, "In jenen Tagen" von Helmut Käutner (das mich schon als Junge berührt hatte).

Das rückblickend Verstörende ist dieser Vergleich, dass man kategorisiert, etwas in das Regal der Gefühle verschiebt.

Es kommen z.B. Bilder in Erinnerung an Luís Bunuels "La Muerte en este Jardín" von 1956, den Überlebenskampf im Dschungel einer kleinen Gruppe von Flüchtigen nach einer Revolte.

Ich hatte Andrezej Wajdas "Kanał" von 1957 damals in seiner Ausweglosigkeit verglichen mit Carol Reeds "Odd Man Out" von 1948, wo auch ein Verfolgter im Kanal gefangen ist. Ästhetisch sind beide Filme verwandt.

Es bleibt das aufrichtige Mitgefühl auf der Strecke, oder ich kann mir dessen nicht sicher sein, weil ich als Betrachter des Films ganz egoistisch auf der Suche nach Bildern meiner Kindheit bin: Filme, Fotos, Familienalben und Bücher, die mich damals prägten, sind Versatzstücke meiner Kindheitsererinnerungen, die ich wie im Kaleidoskop zusammensetze, weil sie mich berühren.

Diese Ästhetisierung ist ein langsam wirkendes Gift. Die Suche nach Authentizität wird zur Suche nach dem Besten, der Suche nach Qualität, im schlimmsten Fall zur filmästhetischen Weinprobe.

Ich hatte ein französisches Filmlexikon aus den Éditions du Seuil, von Georges Sadoul, das ein Wegweiser war für diese Filme. Die Betroffenheit der Filmkritiken, oft mit Zitaten aus den Cahiers du Cinema, erschloss mir die Wucht dieser Filme und ihrer Wirkung auf die Zuschauer der 1950er Jahre.

Berührt war ich, als mir meine Mutter erzählte, dass der von ihr verehrte Marcel Reich-Ranicki im Warschauer Ghetto war.
Mir ist bewusst, dass der Untergang des Warschauer Ghettos nicht dasselbe ist wie der zweite Untergang Warschaus im Warschauer Aufstand von 1944.
Eben fündig geworden, im Internet, die Rede von Marcel Reich-Ranicki, im Deutschen Bundestag.
Hier wird die uns allen vertraute Stimme Reich-Ranickis in ihrer Aufrichtigkeit zur Orientierung in einer bedrückenden Geschichte:

 
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