jschmidt
Aktives Mitglied
Nachdem ich vorhin eine Bemerkung über "rumreiche Feldzüge" las, fiel mir wieder ein, was Cicely Veronica Wedgwood, DBE, vor exakt 70 Jahren geschrieben hat. Ich zitiere aus der deutschen Taschenbuch-Ausgabe (Der Dreißigjährige Krieg, München: List 1971, S. 43):
Wer weiß etwa zum Thema? (Dran denken: Parallelen zu zeitgenössischen süddeutschen Politikern sind Tabu!)
Zu dieser Zeit [ausgangs des 16. Jh.] war Deutschland in ganz Europa durch nichts so berühmt wie durch Essen und Trinken. "Ochsen", sagten die Franzosen, "hören auf zu trinken, wenn sie nicht mehr durstig sind; die Deutschen fangen dann erst an." Reisende aus Spanien und Italien waren gleichmaßen erstaunt über die ungeheure Völlerei und den Mangel an Unterhaltungsgabe in einem Land, in dem die Wohlhabenden aller Klassen unter dem ohrenbetäubenden Lärm einer Blechmusik stundenlang bei Schmaus und Trank saßen. Die Deutschen verwahrten sich nicht gegen diese Anschuldigung. Ein deutsches Sprichwort lautete: "Uns Deutschen fällt's Geld durch den Bauch." "Valete et inebriamini", pflegte ein lebenslustiger Fürst seine Briefe an Freunde zu schließen. Der Landgraf von Hessen gründete einen Mäßigkeitsverein, aber der erste Präsident starb an Trunksucht. Ludwig von Württemberg, mit dem Beinamen "der Fromme", trank zwei Herausforderer unter den Tisch. Da er selbst noch nüchtern genug war, um Anordnungen zu geben, ließ er sie auf einem Wagen, zusammen mit einem Schwein, nach Hause schaffen. Dieses Laster hatte sich in allen Gesellschaftsschichten verbreitet. In Berlin brachen angetrunkene junge Kavaliere auf dem Heimweg in die Häuser friedfertiger Bürger ein und jagten sie auf die Straße; auf den Bauernhochzeiten wurde mehr für Essen und Trinken ausgegeben, als in einem Jahr erspart werden konnte, und die Brautpaare kamen öfter betrunken als nüchtern zur Kirche. In Bayern, und mit geringerem Erfolg in Pommern, traf die Regierung wiederholt gesetzliche Maßnahmen, um dergleichen Ausschreitungen zu verhindern.
Auf einen solchen Ruf konnte kein vernünftiger Deutscher stolz sein, und doch gab es unter den einfältigeren Patrioten welche, die geneigt waren, die nationale Vorliebe für Braten und Wein zu verherrlichen. Sie beriefen sich auf Tacitus, der von ihren Vorfahren das Gleiche berichtete. [...]
Was etwa Württemberg betrifft, auch Bayern, so leuchtet mir das alles unmittelbar ein. Im Übrigen hege ich ernstliche Zweifel, ob es sich hierbei nicht um eine tendenziöse, womöglich neiderfüllte Darstellung handelt.Auf einen solchen Ruf konnte kein vernünftiger Deutscher stolz sein, und doch gab es unter den einfältigeren Patrioten welche, die geneigt waren, die nationale Vorliebe für Braten und Wein zu verherrlichen. Sie beriefen sich auf Tacitus, der von ihren Vorfahren das Gleiche berichtete. [...]
Wer weiß etwa zum Thema? (Dran denken: Parallelen zu zeitgenössischen süddeutschen Politikern sind Tabu!)