Ich frage mich, wozu ein Papst eine Legitimation braucht. Für seine Anhänger braucht er sie nicht, die Nichtkatholiken erkennen sie eh nicht an (sonst wären sie ja katholisch).
Der aristotelische Syllogismus trifft ja hier nicht zu. Denn als Mensch ist der Papst natürlich fehlbar (z.B. bei seinen Predigten und Enzykliken usw.), aber wenn er "ex cathedra" etwas feierlich als Lehrsatz verkündet, dann ist er es kraft des Beistandes des Hl. Geistes nicht.
Aber das ist religionswissenschaftlich gesehen eigentlich trivial: Denn die Sätze lauten ja genau genommen: "Nur wer XY akzeptiert und glaubt, gehört zur katholischen Kirche." Da ist die Kathegorie "Wahr / Falsch" einfach nicht zulässig, sowenig, wie die Abseitsregel beim Fußball wahr oder unwahr sein kann.
Religionswissenschaftlich haben alle Religionen in der einen oder anderen Form diesen Unfehlbarkeitsanspruch. Denn alle machen Aussagen, von denen sie überzeugt sind, dass sie wahr sind. Religionen, die das nicht tun, sind nur Folklore. Die katholische Kirche erregt nur deshalb Anstoß, weil sie diesen Anspruch ausdrücklich verkündet. Die evangelische Kirche hat zwar keinen Papst, aber jeder Theologe verkündet das, von dessen Wahrheit er überzeugt ist, und trägt damit einen Wahrheitsansdpruch mit sich herum. Und man kann auch aus der evangelischen Kirche wegen Häresie ausgeschlossen werden. Das hängt einfach damit zusammen, dass in Sachen der Ewigkeit zu viel auf dem Spiel steht, als dass man sich mit "Vielleicht so, vielleicht aber auch anders" nicht zufrieden gibt, also eine Sicherheit benötigt. Kierkegaard nannte das den "Ernst" der Religion.
@von Trebra: "Es kann doch auch keiner Abstreiten, dass sich die katholische Kirche seit dem Papstum stark von den Vorgaben der heiligen Schrift entfern hat. (Armutsideal, Ablasshandel, Gewaltverzicht etc.)".
Tja, und Sandalen tragen wir auch nicht mehr...
Womit ich sagen will, dass man ja zunächst nach den Essentials fragen muss.
1. Das Armutsideal z.B. wird zwar in der Schrift betont, aber von Jesus in der Realität ja nicht so streng gesehen. Petrus war keineswegs arm. Er arbeitete in einer lukrativen Branche, hatte ein eigenes Boot und beschäftigte Personal. Seine Schwiegermutter besaß ein eigenes Haus. Die Zöllner, mit denen Jesus zum Anstoß der Juden verkehrte, waren ausgesprochen reich. Das Öl, das auf sein Haupt gegossen wurde (Mt. 26, 7 ff.), kann so billig nicht gewesen sein, wenn sich die Jünger darüber aufregten und meinten, man hätte es teuer verkaufen und das Geld den Armen geben könen. Die Spezereien, mit denen seine Anhängerinnen seinen Leichnam einbalsamieren wollten, waren auch nicht von ALDI. Eine genaue Lektüre der Evangelien zeigt, dass Jesus realistischer in Gelddingen war, als die Evangelisten.
2. Nirgends ist irgendwann gesagt worden, dass es in der Kirche keine Degenerationserscheinungen wie den Ablasshandel geben werde. Das sind die Schlingerbewegungen. Aber wenn Jesus vor den Schätzen in dieser Welt warnt, weil sie Motten zerfräßen, und empfiehlt, sie gegen die Schätze des Himmels einzutauschen, so liegt der Ablasshandel ja so weit ab davon nicht. Das Ansößige ist meiner Meinung nach nicht der Ablasshandel selbst, sondern die Verwendung der dadurch gewonnenen Mittel. Wenn das Geld (so wie heute) der Armenfürsorge (Adveniat / Brot für die Welt) zu Gute gekommen wäre, hätte wohl kaum jemand gemeckert.
3. Weder das AT noch Jesus haben das Problem der Gewalt grundsätzlich gemeistert. Er sagte zwar: "Wer dich auf die linke Wange schlägt, ..." usw. Aber schon die Variante: "Wer Deine ältere Tochter vergewaltigt, dem gib auch Deine jüngere" zeigt, dass ein Kern des Gewaltproblems nicht getroffen wurde, nämlich die Verantwortung für den Schutzbefohlenen. Bei Jesus tritt das Problem überhaupt nicht auf. Alle Jünger können fliehen und bleiben unbehelligt. Zur Gewalt als Mittel der Politik äußerte er sich gar nicht, was angesichts der Expansionspolitik der Römer auffällt. Er heilt den Knecht eines römischen Hauptmanns, nimmt aber keinen Anstoß an dem Schwert, das dieser trägt, schon gar nicht an dessen Beruf.
Was ich damit sagen will, ist, dass viele Anstößigkeiten darauf zurückzuführen sind, dass man die alten sehr kompexen Nachrichten aus den Evangelien zu zu eindimensionalen Schlagwörtern zusammenschnurren lässt und sie dann gegen die Notwendigkeiten der Realität ausspielt.