Gastrecht

KleinerVogel

Neues Mitglied
Hallo zusammen ich habe mich hier gerade erst neu registriert.
Ich hoffe es ist okay sozusagen direkt ins Haus zu fallen.

Ich wollte fragen, ob mir jemand etwas über das Gastrecht im Mittelalter erzählen kann.
Es geht mehr ums Allgemeine. Nicht so wie es genau zu welcher Zeit des Mittelalters gehandhabt wurde.
Ich habe schon versucht etwas darüber zu finden aber die Infos waren bisher sparsam.

Ich brauche die Infos für ein Buchprojekt. Das nur am Rande. Das jetzt nicht vollkommen korrekt sein muss, historisch.

Wichtig wäre mir zu wissen;

Wie sah es in den höheren Kreisen aus.
Forderte man das Gastrecht ein? Wurde es einfach gewährt?
Was waren die Pflichten und Rechte. Gab es, Einschränkungen?
Ich meine natürliche benimmt man sich eigentlich gut, tut man woanders ja wenn man dort zu Gast ist.
Aber was wäre wenn das Gefolge eines Adeligen es nicht täte. Könnte man ihn das Gastrecht einfach zu entziehen.
Wurden Waffen geduldet? Ich meine so als Ritter gibt man die ja nicht ab? Aber man verwehrt ihm ja auch nicht das Gastrecht. Das wurde ja hoch gehalten, oder irre ich da?
Aber lasse ich „fremde“ einfach so bewaffnet in meine Burg/Reich?
Ich meine irgendwann möchte man die Gäste ja auch mal wieder loswerden?

Ihr seht ich stehe da echt was auf dem Schlauch. Und das mag für bewanderte auch etwas dümmlich hier klingen. Aber für jede Info wie es da so ausschaut wäre ich dankbar.

Vielen Dank schonmals für jede Hilfe
Ich hoffe es war okay dafür ein Thema zu Eröffnen aber ich habe hier nichts dazu gefunden was das Gastrecht betrifft.
 
Ohne zeitliche und regionale Eingrenzung lässt sich diese Frage nicht gut beantworten.

Prinzipiell galt es als Christenpflicht und gebotener Akt christlicher Nächstenliebe, Reisende zu beherbergen, sofern die es erbaten – insbesondere Pilger. Doch erstreckte sich diese Pflicht zumindest in der Praxis nicht auf alle Bevölkerungsteile, sondern war von der streng hierarchisierten mittelalterlichen Gesellschaftsordnung beeinflusst. Auch der frömmste Christ wird gezögert haben, bevor er zu Radau neigende Vaganten oder Angehörige unehrlicher Berufe beherbergte, und ihnen nur Verpflegung geboten haben, ohne sie in sein Haus einzulassen.

Gastrecht wurde erbeten, nicht gefordert. Lag kein treuewidriges Fehlverhalten vor, hatte auch ein Lehnsgeber oder Verpächter kein uneingeschränktes ausdrückliches Betretungsrecht auf dem Besitz (beachte: Besitz ≠ Eigentum) eines Freien, sofern ein solches nicht im Lehns- oder Pachtvertrag oder nach Landesrecht festgehalten war, sondern "nur" einen Anspruch auf Beherbergung. Wobei es unterschiedliche lokale Ausprägungen gab, so musste in manchen Territorien der Wunsch, Beherbergung in Anspruch zu nehmen, mit ausreichendem Vorlauf angekündigt werden.

Um die Formalitäten wurde mitunter mit scharfer Klinge gekämpft. Bspw. ließ 1321 Margaret de Clare die englische Königin Isabella im Regen stehen, als die Gastrecht auf Burg Leeds erbat. Edward II. hatte sie in der Annahme geschickt, dass Margarets oppositionelle Familie es nicht wagen würde, Isabella als Bittstellerin auf der Schwelle verschimmeln zu lassen, und er so Zutritt zu Leeds bekäme. Margaret aber, die das wusste, entschuldigte sich damit, dass nur ihr Mann als Burgherr Einlass gewähren dürfe, und der sei nun mal nicht in Leeds. Daraufhin kam es zum Kampf.
 
Auch der frömmste Christ wird gezögert haben, bevor er zu Radau neigende Vaganten oder Angehörige unehrlicher Berufe beherbergte, und ihnen nur Verpflegung geboten haben, ohne sie in sein Haus einzulassen.

"Betrügerische Pilger sind durchaus verbreitet, sodass zum einen die Gefahr, betrogen oder ausgeraubt zu werden real ist, zum anderen auch manche Menschen Pilgern grundsätzlich misstrauen (es gibt Berichte von Gewalt gegen und Lynchmorden an Pilgern)."

Auf dieser Seite findet sich eine kleine Literaturliste:
  • Peyer, Conrad (Hrsg.): Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter (Schriften des Historischen Kollegs), München 1983.
  • ders.: Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter (MGH Schriften, Bd. 31), Hannover 1987.
  • Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001.
  • Werke von Anke Greve zu Hosteliers in Brügge.
Das letztere ist, soweit ich sehe, nur ein Werk: Hansische Kaufleute, Hosteliers und Herbergen im Brügge des 14. und 15. Jahrhunderts

Außerdem könnte man konsultieren:
Hugo Oschinsky, Der Ritter unterwegs und die Pflege der Gastfreundschaft im Alten Frankreich, Oldenburg 2013

Ganz neu auf dem Buchmarkt ist die deutsche Übersetzung des Buchs "A Travel Guide to the Middle Ages":
Anthony Bale, Reisen im Mittelalter - unterwegs mit Pilgern, Rittern, Abenteurern, Frankfurt/Main 2024

(Nur Hinweise, keine Empfehlungen, die Bücher habe ich nicht gelesen.)

EDIT: Einen Link habe ich noch:


Jacqueline Schindler, Aufbruch ins Ungewisse - Hindernisse und Probleme spätmittelalterlicher Pilger und Wallfahrer (Diplomarbeit, mit einem Abschnitt über Gastfreundschaft.)

 
Zuletzt bearbeitet:
"Betrügerische Pilger sind durchaus verbreitet, sodass zum einen die Gefahr, betrogen oder ausgeraubt zu werden real ist, zum anderen auch manche Menschen Pilgern grundsätzlich misstrauen (es gibt Berichte von Gewalt gegen und Lynchmorden an Pilgern)."
Der Ausdruck Santiagopilger war zeitweise ein Euphemismus für Spitzbuben, denn oft wurden Leute wegen kleineren Vergehen zur Pilgerfahrt nach Santiago verurteilt, wohl, um sie für eine Zeit (oder wenn sie, aus welchen Gründen auch immer nicht zurückkehrten, auch dauerhaft) von der Gemeinschaft, in der sie ihr Vergehen begangen hatten, fernzuhalten, wenn sie wiederkämen, wäre vielleicht Gras über die Sache gewachsen. Es waren also nicht immer die ehrlichsten Leute auf Pilgerfahrt.

Aber auch umgekehrt waren ehrlich Pilger wohl in Gefahr nicht nur durch unehrliche Pilgergesellen, sondern auch durch unehrliche Wirte. In der Legenda Aurea und im Codex Calixtinus (nach Papst Calixt II., diesem fälschlich zugeschrieben) wird die in späteren Berichten variantenreich aber im Kern gleiche oft wiederholte Geschichte erzählt, die auffällige Parallelen zur biblischen Josefsgeschichte (Potifars Weib) hat: ein junger Mann, der mit seinem Vater/seinen Eltern unterwegs ist, wird in Frankreich oder Spanien vom Wirt der Herberge des Raubes eines Kelchs bezichtigt. Natürlich hat der Wirt selbst für die erdrückende Beweislast gesorgt. Der junge Mann wird vom örtlichen Vogt zum Tod am Strang verurteilt, was auch prompt umgesetzt wird. Der Vater/die Eltern müssen weiterpilgern, erreichen schließlich Santiago und kehren zurück. Dabei machen sie, Wochen oder Monate nach der Urteilsvollstreckung Halt an dem Galgen, an dem ihr Sohn immer noch hängt. Der freut sich über das Wiedersehen mit den Eltern, er stehe nun schon wochen/monatelang auf den Schultern des Hl. Jakob, die laufen natürlich sofort zum Vogt und verlangen die Freigabe ihres Sohnes, das Wunder, das er noch lebe und die wortwörtliche Unterstützung des Heiligen beweise seine Unschuld und die falsche Anklage. Der genervte Vogt, dem eben gebratene Hühnchen serviert werden, entgegnet, die Eltern sollten mal nicht hysterisch werden, ihr Sohn sei genauso tot, wie die gebratenen Hühnchen an seinem Spieß. Just in diesem Augenblich fliegen die sehr quicklebendigen Hühnchen durch den Raum. Im spanischen Ort Santo Domingo de la Calzada (Calzada ist die gepflasterte Straße, also der Jakobsweg) befindet sich in einer Kirche ein Käfig mit einem weißen Hahn und einer weißen Henne, die Tiere sollen die Nachkommen der vom Bratspieß entflogenen Tiere sein.
 
Es scheint mindestens im ausgehenden MA ziemlich üblich gewesen zu sein, dass in Schenken und Tavernen Prostitution betrieben wurde (in der Antike auch, davon gibt es reichlich Zeugnisse),jedenfalls berichtet Warschitz immer wieder davon und Arnold von Harff überliefert in seinem Reiseberichten auch einen Minisprachführer mit verschiedenen Dingen, u.a. kommt da regelmäßig die Aufforderung an Frauen vor, mit ihm das Nachtlager zu teilen. Und Arnold von Harff war auf Pilgerschaft, seine Ziele waren Santiago und Jerusalem.
 
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