Ich habe hier noch ein paar interessante Sachen gefunden.
Im spanischen Marinemuseum in Madrid sind historische Pläne des 74. "El Montañes" erhalten. Die Zeichnung sind auf dieser Seite (
Partes del navío de línea español de 74 cañones Montañés. ) sehr gut aufbereitet und erläutert worden. Auf den beiden untersten Horizontalschnitten und im Längsschnitt ist hinter dem Großmast ein Verschlag dargestellt, der als "Caja de balas" bezeichnet wird (Kugelkasten).
Dieses war ein sehr gut gebautes und recht schnelles Schiff (14 Knoten bei gutem Wind und voller Besegelung), entworfen von Julian de Retamosa, der sich auf Zeichnungen von seinen Vorgänger Romero de Landa basierte. Unter den ihm zugeschriebenen positiven Eigenschaften wird die Tatsache aufgeführt, dass es noch bei relativ hohen Seegang die Stückpforten des untersten Decks öffnen konnte. Dieses Schiff nahm an verschiedenen Gefechten recht erfolgreich teil.
Im kurzen Krieg gegen Frankreich 1795, erbeutete es die französische Fregatte Ifigenie und überstand, verankert in der Bucht von Guixols, mit der Unterstützung der Landbatterien, einen Kampf gegen eine große Französische Flotte. Bei diesen Kampf wurden, laut seinem Kommandeur, innerhalb von zweieinhalb Stunden ca. 1.100 Schuß vom "Montañes" abgefeuert. Hier ist dazu ein kurzer Text auf deutsch.
1795 : Viel Pulverdampf fr nichts. Die spanische MONTANES (74 - Jose Jordan) gegen ein franzsisches Geschwader
Es war eine Zeitlang (8 Jahre) in Fernost als Schutz für die Philippinen, und überraschte in einer Gelegenheit an der Kantonesischen Küste zwei britische Linienschiffe und eine Fregatte die gerade proviant luden. Die Briten haben ihre Operation abgebrochen, Boote und Material verlassen und das Weite gesucht. Die üblicherweise schnelle Montañes konnte auf Grund von Schäden an Rumpf und Takelage ihnen nicht folgen.
1803 ist es nach Spanien zurückbeordert worden und erfüllte dieses mit einer Weltumsegelung. Dort blieb das Schiff für längere Zeit in Reparatur.
In der Schlacht von Trafalgar wurden der neue Kommandeur (Alcedo) und sein Vize (Castaños) getötet, es konnte aber mit eigenen Mitteln nach Cadiz zurücksegeln. 1806 hat es noch mehrere Fahrten zu den Balearen und den Kanaren gemacht, 1808 nahm es dann an der Eroberung der französichen Flotte von Rosilly in Cadiz teil.
1810 ist es dann in einem Sturm vor Cadiz gescheitert.
Historia del navío de línea Montañés
Ich finde, es ist ein interessantes Beispiel dafür, dass es auch in der spanischen Flotte um 1800, es noch gute Schiffe unter guten Offizieren gab, auch wenn die Mehrheit der Flotte in einem desolaten Zustand war. Ignacio Maria de Alava, der Kommandeur bei der Ostasien fahrt, liess z.B. häufig die Mannschaft an der Artillerie drillen.
Alava (
Kurzbiographie Vizeadmiral Ignacio Maria de Alava y Saenz de Navarrete ) war bei Trafalgar der Zweitkommandierende in der Spanischen Flotte und an Bord der Santa Ana (ein dreidecker). Er überlebte die Schlacht mit einer Kopfverletzung. Sein Schiff wurde erobert, zwei Tage nach der Schlacht aber von den Franzosen befreit.
(
Kleine Kuriosität am Rande: Ignacio Thomas de Àlava war Onkel von Miguel Ricardo de Àlava, der als Leutnant bei Gravina an Bord der Principe de Asturias war.
Dieser Neffe hat dann wie viele andere spanische Marine Offiziere, mangels Flotte eine zweitkarriere als Armeeoffizier begonnen, kämpfte in mehreren Schlachten an Land und wurde dann zu Wellington als spanischer Verbindungsoffizier geschickt. Mit diesem entstand dann eine engere Freundschaft. Er begleitete ihn durch den ganze Krieg auf der Iberischen Halbinsel bis zur Schlacht bei Vitoria (stadt aus der er stammte und in der heute ein großes Denkmal von ihm steht).
1815 war er spanischer Botschafter in Frankreich. Bei der Wiederkehr von Napoleon war er in Belgien zu Beratungen mit Wellington und blieb bei der britischen Armee und nahm mit dieser an der Schlacht von Waterloo teil. Es dürfte also einer der wenigen Personen sein die bei Trafalgar, Vitoria und Waterloo gewesen sind. Vollkommen sureal wird es jedoch, wenn man mitbekommt, dass er als junger Marineoffizier bei der Belagerung von Toulon anwesend war )
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Dafür müßte es doch Dienstvorschriften, Algorithmen, ballistische Tabellen gegeben haben. Infanteriedienstvorschriften z.B. aus dem 18. Jh. kenne ich, da wird exakt der Ladevorgang für eine Muskete beschrieben etc. Gab es soetwas auch für die Marineartillerie?
M.
Mir ist nichts derartiges bekannt, obwohl ich zahlreiche Bücher zum Thema habe und in vielen Museen war.
Ich habe die Vermutung dass dieses bei den Marinen wirklich erst Mitte des 19. Jahrhunderts in "wissenschaftliche" Form gebracht wurde. Bei den Landartilleristen ist dieses schon früher geschehen und entsprechende Literatur und "Hardware" (z.B. Artilleriequadranten und Tabellen) sind zahlreich vorhanden. Im Museum vom Alcazar von Segovia habe ich vor drei Jahren eine hochinteressante Austellung dazu gesehen. Dort war die Artillerieakademie der spanischen Armee und diese hatten schon im 18. Jahrhundert eine recht aufwendige mathematische Ausbildung. Diese war bei den Marineoffizieren zwar auch vorhanden, m.W. aber nur auf die Navigation bezogen.
Es kann aber schlicht sein, dass es nur eine Wissenslücke meinerseits ist.