Es gibt noch einige solche zeitgenössischen Darstellungen, die diesen sonderbaren Ladevorgang zeigen. [...] Da mussten die armen Kerle auf dem heißen Rohr nach außen rutschen um auzuwischen und zu laden.
Ein weiteres Bild von Pierre Puget auf dem ein Mann auf dem Heckgeschütz hockt. Schaut man sich die Länge der Rohre an dieser Engstelle des Schiffes an ,so dürfte es unmöglich gewesen sein, diese restlos nach innen zu ziehen.
Um hier noch einmal anzuschließen: William Henry Dillon - und, lt. Herausgeber, mehrere weitere Augenzeugen - bezeugen solche Ladevorgänge noch aus dem Jahr 1794. Dillon war Midshipman an Bord der
Defence und berichtet über eine Episode während der Schlacht am Glorreichen Ersten Juni, während der man mit einem französischen Dreidecker konfrontiert war:
p. 133 " [...] I noticed that the Frenchmen, in many instances, loaded their guns from the outside. One man I distinctly saw riding upon a lower deck gun, loading it."
(dt.: Mir fiel auf, dass die Franzosen oftmals ihre Geschütze von außerhalb des Schiffsrumpfes luden. Einen sah ich eindeutig rittlings auf einem Unterdecksgeschütz sitzen, während er es lud.)
Auf p. 130 merkt er an, dass an Bord der
Defence zum Schutz der Mannschaften während des Ladevorgangs die Stückpforten geschlossen wurden. In einer weiteren Fußnote hierzu betont Herausgeber Michael Lewis, dass diese Maßnahme auf Grund einer britischen Innovation möglich gewesen sei, über die die Franzosen nicht verfügten: flexiblen Griffen an Wischern und Ladestöcken. (Mir fallen gerade keine ganz eleganten deutschen Bezeichnungen ein - zu lange den Beulwitz-Hornblower nicht mehr gelesen. Man muss sich das wohl so vorstellen, dass hierfür statt Holzstangen dicke Tauenden genommen wurden.) Während die britischen Geschützbedienungen demnach im Schutze des Rumpfes laden konnten, mussten sich laut Lewis die französischen Ladeschützen nicht nur hinter den geöffneten Stückpforten dem feindlichen Musketenfeuer und Splittern aussetzen, sondern sich teilweise sogar aus der Stückpforte herauslehnen, um die Geschützrohre auszuwischen bzw. um Kartusche und Geschoss in den Lauf zu rammen.
Lewis, Michael A. (Ed.), A Narrative of my Professional Adventures (1790 - 1839). By Sir William Henry Dillon, K.C.H., vice-Admiral of the Red, Volume I, 1790-1802, London 1953.
In diesem Zusammenhang ergibt auch eine Aussage von Rémy Monaque Sinn, die ich bislang immer etwas in den Bereich des Seemannsgarns geschoben habe. In seiner Geschichte der Französischen Marine erklärt er die schlechte Feuerwirkung der französischen Linienschiffe, insbesondere während der Seeschlacht von Trafalgar, unter anderem damit, dass die schweren 36-pfündigen Geschosse oftmals den Ladeschützen aus der Hand (der einen!) und ins Meer fielen, da diese ja doch recht unhandlich und - am langen Arm - auch einigermaßen schwer gewesen seien. Da die Ladeschützen sich aber nicht die Blöße geben wollten, diese Peinlichkeit zuzugeben und/oder die offizielle Feuerbereitschaft ihres Geschützes zu verzögern, hätten sie brav den Mund gehalten und ihr Geschütz in Folge eben eine blanke Kartusche abgefeuert.
Wenn nun schon zwischen Mündung und Bordwand nicht genügende Platz war, sich mit dem Geschoss in beiden Händen davorzustellen, bzw. dieser Platz zu exponiert war und der Ladeschütze, irgendwo zwischen Geschütz und Bordwand in Deckung gekauert, die Kugel am langen Arm vor die Mündung führen musste, und/oder dieser lange Arm womöglich noch aus der Bordwand herausgehalten werden musste, um die Mündung zu erreichen, so ergibt das ganze doch wieder etwas mehr Sinn.
Zeit, sich auf einem Videoportal den einen oder anderen Film von
Victory oder
Constitution anzuschauen, um zu sehen, wie weit die Geschütze tatsächlich einrannten.