Hallo zusammen,
aktuell beschäftige ich mich mit dem Thema der Phalanxtechnik und der Krise der Adelsherrschaft im Antiken Griechenland.
Meine Frage dazu lautet: lässt sich anhand von
Hom.Il.6,215-231 ableiten, welche kategorialen Unterschiede es in der Schlacht-Darstellung bei Homer im Gegensatz zu der Phalanx gibt ?
Beim Gespräch zwischen Diomedes und Glaukos wird ja immer wieder die Lanze erwähnt oder auch die Wägen, von denen sie steigen. Wäre das nicht schon eine Unterschied zur späteren Phalanxtechnik ?
Vielleicht habt Ihr ja ein paar Denkanstöße.
Liebe Grüße
Die Phalanx-Taktik steckte zu der Zeit, als Homer seine Werke schrieb noch in den Kinderschuhen, und zu der Zeit, in der die Ilias spielt, gab es noch keine Phalanx.
Was Homer beschreibt, dass sind Einzelduelle der Adeligen. Der Streitwagen dient sozusagen als Schlachtfeld-Taxi, das vom Wagenlenker hinter der Linie geparkt wird, sozusagen als Fluchtfahrzeug, um zur Flucht oder Verfolgung genutzt zu werden. Durch Siege im Einzelkampf gewinnt der Krieger Ruhm oder auch Beute.
Einfache Krieger werden in Homers Werken nur selten namentlich genannt. Eigentlich gibt es nur einen namhaft bekannten "Schützen Arsch" bei Homer: Thersites, der vielleicht das erste Beispiel eines populistischen Demagogen in der Weltliteratur darstellt.
Im Gegensatz zu den aristokratischen Helden, die in der Regel als stattlich, durchtrainiert beschrieben werden, ist Thersites hässlich, auch nicht gerade der Tapferste, dafür aber immer bereit, gegen "die da oben" vom Leder zu ziehen. Besonders Agamemnon, Achilleus und Odysseus sind ihm verhasst.
Heeresgruppenchef Agamemnon glaubt, dass er Troja auch ohne den Superhelden mit den Allüren einer Primadonna erobert, doch er hat sich verrechnet. Zeus schickt ihm einen verhängnisvollen Traum, doch Agamemnon versteht wenig von Massenpsychologie und muss sich erst mal mit einer Meuterei oder einem Militärstreik seiner Landser auseinandersetzen. Dabei spielt Thersites eine wichtige Rolle, der von Odysseus dafür mit dem Marschallsstab geschlagen wird. Auch im späteren Verlauf der Handlung fällt Thersites immer wieder durch polemische Kritik an "denen da oben" auf.
Thersites Ende beschreibt nicht Homer, sondern Hesiod (?) Achilleus erschlägt die Amazone Penthesilea, ist aber beim Anblick der Toten schockiert. Thersites nennt Achilleus einen Weiberhelden, worauf der ihm eine scheuert und Thersites daran stirbt.
Hin und wieder einmal tauchen Beschreibungen auf von Formationen, die auf eine Art Proto-Phalanx hinweisen. In den Kämpfen um die Mauer und das griechische Schiffslager rät Nestor den Griechen, eine Art Schildwall zu bilden, um die Trojaner abzuwehren.
In der Phalanx aber kam es nicht auf den Mut und die Kampfkraft des einzelnen Kriegers, sondern auf das agieren als Formation, in der jeder Einzelne aufeinander angewiesen war. Ein Ausbruch aus der Phalanx bedrohte ihren Zusammenhalt. Ordnung, kontrollierter Mut und Handeln im Kollektiv waren wichtiger, als individuelle Tapferkeit oder Stärke. Mangelnde Sicht und Beweglichkeit schränkten die Aktion der Phalanx ein. Für den Einzelkampf Mann gegen Mann war die Ausrüstung der schwerbewaffneten Infanterie weniger gut geeignet.
Für den Kampf in Formation aber war die Phalanx geradezu ideal. Eine Hoplitenphalanx war auch gegen starke Übermacht leichtbewaffneter sehr stark, trafen aber zwei Hoplitenphalangen aufeinander äußerst brutal und gefährlich. Euripides lässt seine Figur Medea (Euripides, Medea 250-251) sagen: "Dreimal möchte ich lieber mich stellen hinter einen Schild, als einmal nur ein Kind gebären."
Auch in der Ilias wird vereinzelt auf Formationskampf und die Kombination Dori (Spieß) und Schild hingewiesen: Ilias 13, 339-44. Die Abanter von Euböa sind für ihre Stichlanzen berühmt Ilias 2, 542-44.
In Ilias 13, 128-130, Ilias 13, 131-133 Ilias 16, 215-217
finden sich Passagen, die man als Proto-Phalanx interpretieren könnte.
"Die Besten, Auserlesenen, hielten stand den Troern und dem göttlichen Hektor, den Speer mit dem Speer verzäunend, den Schild mit dem Schildrand. Schild drängte Schild, Helm und Helm und Mann den Mann, und es berührten einander roßmähnige Helme mit glänzenden Bügeln, wenn sie nickten, so dicht standen aneinander.