Ich meine (!), dass die Kastration nicht zu mehr Kraft führt, sondern bei Ochs und Edelesel in erster Linie dazu führen soll, a) beherrschbarer, da sanfter im Gemüt zu werden und b) den Reparaturaufwand an Geschlechtsgenossen, Stuten, Zäunen und Pflegepersonal wegen akuter Riemigkeit und Anwesenheit von Stuten niedrig zu halten. Spätestens Züchter wollen dann ja auch noch kontrollieren, welcher seiner Jungs sich verewigt und das machte man, wie am chinesischen Kauserhof durch operative Eliminierung (potentieller) Konkurrenz.
Meiner Meinung nach ist das korrekt.
Meines Halbwissens wurden bei Ritterns und schwerer Kavallerie Hengste eher bevorzugt, weil sie mehr Wumms haben. Einerseits.
Andererseits verblüfft mich bis heute: im Menschensport wird ein Riesenbohei um Trennung der Geschlechter gemacht wird, von wegen unterschiedliche körperliche Leistungsfähigkeit mitsamt der durch Transfrauen eingebrachten Verungerechtifizierung des Frauensports (inzwischen amscheinend mit Diskussion/Regelung eines Grenzwertes für den Testosteronspiegel - wann bei Männern?).
Im Pferdesport hingegen wird weder bei Reitern noch bei Pferden ein Unterschied bei den Geschlechtern gemacht und es scheint (!) auch keinen Grund dafür zu geben - Hengste und Wallache und Stuten scheinen hier keine so gravierenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zu zeigen, dass eine Trennung nach Geschlechtern ernsthaft thematisiert würde. Oder doch und ich bin schlichtweg schlecht informiert?
Wie
@Nikias schon sagte, auch im Reitsport wird zwischen Hengsten und Stuten unterschieden, vor allem in Wett- und Ausdauerrennen.
Zunächst: Pferde weisen einen Sexualdimorphismus auf, bei Hauspferden ähnlich ausgeprägt wie bei Wildpferden. Ein männliches Bergzebra wiegt bis zu 350 kg, während Stuten maximal 260 kg schwer werden. Ein Andalusierhengst wiegt durchschnittlich 512 kg, eine Andalusierstute im Mittel 412 kg.
Beide Hengste besitzen dadurch vor allem mehr Muskelmasse als die jeweilige Stute, und es leuchtet auch ein, warum dies so ist: Die Hengste kämpfen gegeneinander, die Stuten kämpfen nicht.
Interessanterweise scheint der Mensch durch Züchtungen das Hauspferd dahingehend optimiert zu haben, dass Wallache vieler Rassen nur unwesentlich leichter und schmächtiger als Hengste werden, wogegen ein beschnittener Zebrahengst deutlich kleiner bleibt als sein Nicht-Wallach-Artgenosse.
In vielen Anwendungsbereichen spielt dieser Dimorphismus keine allzu große Rolle. Eine Stute zieht Dir den Pflug ebenso gut wie ein Hengst, eher machst Du Feierabend, als dass Dein Pferd schlapp macht.
Bei der Kavallerie jedoch wurden Hengste oft bevorzugt, so war der klassische Destrier mittelalterlicher Ritter ein aufgrund von Geschlecht und Erscheinung ausgewählter Hengst. Ich denke aber, dass das Statussymbol dabei ebenso eine Rolle spielte wie Männlichkeitsvorstellungen. In vielen Quellen werden nämlich Wallache und auch Stuten hinsichtlich ihrer Eigenschaften gelobt und als Kriegspferde empfohlen.
Auch beim Menschen weisen Mann und Frau einen Sexualdimorphismus auf, weswegen es genauso sinnvoll ist, ihre Leistungen im Sport getrennt voneinander zu bewerten, wie es sinnvoll ist, auch Altersgruppen bzw. Gewichtsklassen zu berücksichtigen. Am geringsten ausgeprägt ist der Unterschied in puncto Ausdauer, am größten dort, wo es auf Rumpfkörperkraft ankommt.
So liegt der Weltrekord im 100 m-Sprint der Damen bei 10,49 s, der der Herren bei 9,58 s (9,5% Differenz), während bei der höchsten Gewichtsklasse der Gewichtheber der Zweikampf-Weltrekord der Damen 348 kg und der der Herren 492 kg beträgt (bereits 41,4% Differenz).
Der Grund, warum viele Sportlerinnen sich dagegen wehren, dass als Männer geborene Transfrauen im Frauensport antreten, besteht darin, dass geborene Männer nach der Geschlechtsangleichung lange die Vorteile behalten, die das Testosteron in der männlichen Pubertät bewirkt. Ihre Knochen- und Muskeldichte ist größer. Deswegen besiegen sie in allen Disziplinen regelmäßig das restliche Feld.
Um in dieser Hinsicht Fairness herzustellen, müssten Transfrauen über lange Zeit künstlich ihren Testosteronspiegel senken, bevor sie als Profisportlerinnen antreten. Was im Profisport aber wenig erstrebenswert ist, denn das Leistungsmaximum liegt zwischen etwa 17 und 27 Jahren. Langes Zuwarten könnte bedeuten, auf die Karriere zu verzichten. Darum werden Testosteronspiegel gemessen, um zu schauen, ob sie sich wenigstens im Rahmen dessen bewegen, was als fair gelten kann.
Übrigens gibt es im Sport durchaus auch Testosterongrenzwerte bei Männern – insbesondere im Kampfsport, aber auch in vielen Ausdauersportarten. Männer, die künstlich ihren Testosteronspiegel erhöhen, entwickeln mehr Muskelmasse, auch heilen ihre Verletzungen etwas schneller.
Das linke Bild zeigt den Kampfsportler Vitor Belfort, bevor er des Dopings mit Testosteron überführt wurde, rechts zeigt es ihn, nachdem er das Testosteron absetzen musste:
https://i.ytimg.com/vi/Ml9qcTfEcCI/maxresdefault.jpg
Kastraten spielten nicht sich selbst, sondern eine dritte und eigentlich fremde Natur. Als „homines tertii generis“, als Menschen dritten Geschlechtes, sahen sich manche Betroffene selbst; dies zeigen etwa die erst vor einigen Jahren aufgefundenen Briefe Farinellis an seinen Gönner Graf Pepoli oder die Selbstdarstellungen des Sängers Filippo Balatri, der als einziger Kastrat eine ausführliche Autobiographie mit dem Titel Frutti del mondo hinterließ. Als Balatri auf seinen Reisen gefragt wurde, ob er ein Mann oder eine Frau sei, und wo Menschen mit einer solchen Stimme geboren werden, gerate er in Verwirrung. Er wisse nicht, was er sagen solle: „Sage ich, ich sei ein Mann, ist es gewissermaßen gelogen, sage ich, ich bin eine Frau, ist es auch nicht besser, und wenn ich sage, das ich ein Neutrum bin, werde ich dabei erröten. Wiederholte Selbstbezeichnungen als „Neutrum“ weisen darauf hin, dass sich Balatri „tatsächlich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlte“.
https://www.uibk.ac.at/musikwissenschaft/forschung/publikationen/maennerspiele/fink.pdf
Wobei sich mir die Frage stellt, ob da nicht vielmehr ein Kastrat sprach, der auch die Merkmale einer angeborenen oder durch die Kastration erworbenen Genderdisphorie erfüllte. Ich habe noch keinen Beweis dafür gesehen, dass Kastraten sich generell nicht für Männer hielten.
Außerdem dürfte Farinello ein Kind seiner Zeit gewesen sein. Die Kastration macht das biologische Maskulinum nicht zum Neutrum oder Femininum – doch sprechen wir immerhin von einer Zeit, in der die Zeugungsfähigkeit als Männlichkeitserweis galt. So sehr, dass auch Männer mit unzweifelhaft vorhandenen Genitalien sozial in die Bredouille gerieten, wenn sie keine Kinder zeugten konnten.
Durch Unfall, Krankheit oder Gewalt die Zeugungsfähigkeit zu verlieren, war bis in die jüngste Vergangenheit für Männer eine Katastrophe. Noch heute begeht so mancher Kriegsveteran Suizid, der durch eine Landmine oder Sprengfalle die Hoden verlor. Vielleicht sollte man solche Aussagen daher z.B. einer Verbitterung des Sängers über sein ihm von den Eltern aufgezwungene Anderssein zuschreiben. Schließlich bewegte er sich in Kreisen, wo man(n) sich mit Mätressen umgab und die eigene Virilität zelebrierte. Er muss sich wie ein Außerirdischer vorgekommen sein.
vermutlich kurz bevor der Kolonialismus das binäre Geschlechtersystem brachte
Heißt das, Du siehst die These der fraglichen Historikerin als bewiesen an?