Als Kriegsverbrechen z.B. entlang der Haager Landkriegsordnung werden keineswegs mögliche und länger zurückliegende Planungen und Pläne eingestuft, sondern gewisse Maßnahmen, Aktionen und Handlungen, auch bewusste Unterlassungen einer Kriegspartei, welche Kombattanten und Nichtkombattanten betreffen.
Im
- Zweiten Abschnitt der Landkriegsordnung,
- Erstes Kapitel: Mittel zur Schädigung des Feindes, Belagerungen und Beschießungen,
- steht im Artikel 22: Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.
Artikel 22 und damit die Einstufung von Handlungen, Maßnahmen und Aktionen oder bewusste Unterlassungen einer Kriegspartei als Kriegsverbrechen, war und ist nicht abhängig von Handlungen, Maßnahmen, Aktionen oder bewusste Unterlassungen der gegnerischen Kriegspartei.
Ein typischer Anfängerfehler besteht wohl darin zu glauben, drastische, teils als menschenverachtend erscheinende Maßnahmen und Handlungen/Nichthandlungen des Kriegsgegners würden Kriegsverbrechen des Aggressors, der angreifenden Partei weniger bedeutsam oder gar verständlicher machen. Vielleicht auch in dem Sinne, zu den Kriegsverbrechen wäre es 'eigentlich' nur als Reaktion auf das Handeln/Verhalten der gegnerischen Partei gekommen, hätte sich der Kriegsgegner 'normal' verhalten, wäre es (hypothetischer Weise) nicht dazu gekommen.
Man kennt das Muster oder die Naivität dieser Argumentation beispielweise aus den Rechtfertigungen bzw. von Angehörigen/ Offizieren/ Truppen des Deutschen Heeres im I. Weltkriegs beim Durchqueren belgischen Territoriums zu Beginn der Westoffensive hinsichtlich begangener Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung.
Wie Silesias Beitrag 41 zeigen konnte, sind die Kriegsverbrechen der Wehrmacht bei der Blockade Leningrads nicht nur durch die Maßnahmen und ihre Auswirkungen hinreichend belegt, sondern auch durch entsprechenden Befehle für die Situation vor Ort zu jener Zeit dokumentiert angeordnet worden.
Den großen Rahmen für die Barbarossa-Feldzug der Wehrmacht gegen die Sowjetunion ab dem 22.6.41 illustrieren beispielsweise die von Generaloberst Halder im entsprechenden KTB-Eintrag vom 8.7.1941 vorhandenen Notate, im Faden schon erwähnt, über eine Besprechung Hitlers mit führenden Wehrmacht-Generälen, bei der Hitler seinen feststehenden Entschluss mitgeteilt habe,
''Moskau und Leningrad dem Erdboden gleich zu machen, um zu verhindern, daß Menschen darin bleiben, die wir dann im Winter ernähren müssten''.
Der Entschluss im September 1941, Leningrad und seine Zivilbevölkerung auszuhungern, wurde vor Ort und angesichts der militärischen Umstände gefällt, die kriegsverbrecherische Grundsätzlichkeit dieser Maßnahmen war in der generellen Qualität und Ausrichtung des Barbarossa-Feldzuges verankert und nicht plötzlicher, unkontrollierter oder unerwarteter Ausdruck einer besonders schwierigen militärischen Situation.