Dion
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Nein, da war weder meine noch fremde Fantasie am Werk, das hat sich Tertullian ganz allein ausgedacht.Gibt es für deine Ausführungen über die Medizinhistorie und den Verfall der Theaterkultur irgend etwas, das diese Deutungen stützt, eine Publikation, die das stützt, was du hier als Tatsachenbehauptung aufstellst? Ich frage, weil mich interessiert ob da die eigene oder fremde Phantasie am Werke waren.
Im Übrigen habe ich in meinem Beitrag auf einen Artikel in Wikipedia verlinkt (De Spectaculis), in dem es u.a. einen Link gibt auf einen Artikel in der Bibliothek der Kirchenväter, in dem es z.B. gleich am Anfang heißt – Zitat:
„1. Der Besuch der heidnischen Schauspiele ist mit dem Christentum unverträglich.
(…)
4. Der Christ widersagt den Schauspielen eigentlich schon im Taufgelübde.“
Das sind Überschriften der Kapitel und gleichzeitig Verweise darauf. Es gibt 30 Kapitel.
Noch eine Bemerkung dazu: Mir wird von dir und anderen vorgeworfen, ich bringe keine Belege, aber wenn ich welche wie oben bringe, werden sie ignoriert bzw. so getan, als hätte ich wieder keine gebracht. Ein bisschen Zeit sollte man schon investieren und zumidest die verlinkten Dokumente lesen.
Im Bezug auf Historie der Medizin gibt es bei Amazon eine bis zur Seite 26 gehende Leseprobe des besagten Buches von Colin Slater – man muss halt den Autor oder den Titel („Die Geschichte der Anatomie“, Haupt-Verlag) eingeben.
Als Galen in Alexandria war, gab es da keine Sektionen mehr, geschweige Vivisektion, die es dort niemals gab – außer natürlich bei Tertullian, um das Sezieren der Leichen zu diskreditieren.Das glaubst du doch wohl selber nicht, dass der keine Ahnung von Anatomie gehabt haben soll! Die antiken Ärzte hatten sogar umfassende Kenntnisse der Anatomie. Galen studierte u. a. in Alexandria und er ging, nach dem Wikiartikel zu Galen nach Alexandria, weil nur dort die Vivisektion und Experimente an Leichen zugelassen waren.
Galen hatte dort nur noch Bücher der beiden oben erwähnten Anatomen Herophilos und Erasistratos, die zu dem Zeitpunkt schon ca. 300 Jahre tot waren, in der alexandrinischen Bibliothek studieren können. Galen hat selbst keine Sektionen durchgeführt, was er über den Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers wusste, wusste er nur aus Büchern und Sektionen von Tieren. Und aus Wundbehandlungen von Gladiatoren. Das kann eigenhändige Sezieren nicht ersetzen, deshalb ist Anatomie im Medizinstudium heute Pflicht – trotz hervorragender Abbildungen in Büchern.
Zur Illustration, wie sehr Galen irrte, hier ein weiteres Zitat aus dem Artikel der Süddeutschen:
Vesalius entdeckte mehr als 200 grobe Fehler in der seit der Antike geltenden Anatomie Galens und räumte mit etlichen Mythen auf: Anders als Galen behauptet hatte, endet der Gallengang nicht im Magen (sondern im Zwölffingerdarm), bestand die Leber nicht aus fünf Lappen, sondern aus zwei großen und zwei kleinen. Zudem ist die Gebärmutter nicht gehörnt, um nur einige der Irrtümer Galens zu nennen. Doch statt Galens Lehrgebäude angesichts so vieler Fehler grundsätzlich infrage zu stellen, korrigierte Vesal den antiken Meister lediglich. Zu groß war die Ehrfurcht vor dem Mann, der seit fast eineinhalb Jahrtausenden das Denken und Handeln der Medizin bestimmt hatte.
Ja, in der Antike wusste man von Blutkreislauf nichts. Erasistratos war zwar kurz davor, aber er starb, ohne wirklich dahinterzukommen. Danach gab es keine Sektionen mehr, weil die herrschende Lehrmeinung war, man brauche das nicht. 300 Jahre später kam Galen, sah zwar die Ergebnisse von Erasistratos über den Blutkreislauf, zog aber keine eigenen Schlüsse daraus – seine Viersäftelehre ward geboren. Sie herrschte bis ins Hochmittelalter (und darüber hinaus), als im Jahr 1240 Kaiser Friedrich II. das Medizinstudium regelte – Zitat:Die antike Medizin wusste noch nichts vom Blutkreislauf ...
Der Lehrplan bestand aus:
• 3 Jahre Logik,
• 5 Jahre der Medizin (einschließlich der Chirurgie und der Anatomie einschließlich der Autopsie menschlicher Körper),
• 1-jährige Praxis bei einem Arzt
Man beachte: Chirurgie und Anatomie gehörten zum Medizinstudium. Friedrich war unabhängig von Kirche und Papst, deshalb konnte er das verfügen. Aber nach seinem Tod kam offensichtlich wieder die Trennung in Ärzte, auch Buchärzte genannt, und Wundheiler/Bader, die bis ins 19. Jahrhunderte dauerte.
Wenn das keine Verblendung war – hier Ärzte, die ihr Wissen aus Büchern hatten, dort Praktiker, die den Aufbau des menschlichen Körpers halbwegs kannten und entsprechend behandeln konnten –, dann weiß ich nicht, was Verblendung ist.
Selbstverständlich sahen Buchärzte auf die Chirurgen von oben herab. Als ob ihr mangelhaftes "Wissen", das vor anderthalb Jahrtausenden entstand (weil man es damals nicht besser wusste), besser wäre als handfestes Wissen, das auf eigener Praxis beruhte.