Gegen Genanalysen kann ich - schon rein fachlich nicht - nichts Substantielles einwenden. Ich wundere mich nur darüber und frage mich, ob sie korrekt abgenommen bzw. richtig interpretiert wurden. Wie gesagt, vom biologischen Standpunkt her kann ich dem substantiell nichts entgegensetzen. Mir erscheint es nur sehr unwahrscheinlich, dass eine in der Region vorhandene Tiergattung - und dann auch noch per Schiff - importiert wurde.
...
Aber wir reden hier über Wildschweine. Klar, natürlich kann man auch die erwachsenen Tiere einer Rotte töten und die Frischlinge einfangen und hochpäppeln. Insofern handelt es sich um keine Unmöglichkeit. Aber es stellt sich doch die Frage nach dem Cui bono?
Es gibt dort mehrere Schwierigkeiten. Ich erwähnte bereits die unscharfe Unterscheidung von Wild- und Hausschweinen in den deutschsprachigen Artikeln. Ich vermute dort Übersetzungsfehler. Auf Englisch ist nie vom Import von
wild boar die Rede, sondern immer nur von importierten
pigs. Ich gehe also davon aus, dass ursprünglich niemand behauptete, die Philister hätten Wildschweine über den Seeweg nach Israel/Palästina eingeschifft.
Die Unterscheidung von Wild- und Hausschweinen ist nicht einfach. Frühe Schweinerassen waren Wildschweinen äußerlich zum verwechseln ähnlich.
Im konkreten Fall wurden tatsächlich uralte Schweineknochen von archäologischen Ausgrabungen untersucht. Ob man jetzt vorher bestimmt hat oder bestimmen konnte, welcher Knochen vom Borstenvieh und welcher vom Schwarzwild stammte, ist mir unbekannt.
Europäische Hausschweine stammen ursprünglich von den Schweinen der ersten Bauern Vorderasiens ab, die das dortige asiatische Wildschwein domestizierten. In Europa wurde jedoch diese ursprünglich asiatischen Schweine immer wieder (wahrscheinlich sogar unabsichtlich) mit europäischen Wildschweinen gekreuzt, bis die genetischen Merkmale der europäischen Wildschweine die asiatischen in der europäischen Hausschweinpopulation nahezu vollständig verdrängt hatten.
Folglich hätten aus Europa eingeführte Hausschweine genetische Merkmale europäischer Wildschweine.
Nature World schrieb:
Israel's Wild Boar have Different Genetic Origins than Region's Other Boar
"The results showed that pigs from the Bronze Age and the beginning of the Iron Age display the local Near Eastern genetic signature, while a European genetic signature appears early in the Iron Age, around 900 BCE, and has been dominant ever since," TAU reported, adding that the European pig breeds were most likely introduced by seafaring people, including the Philistines, who arrived on the coast and eventually settled in places like Gaza and Ashdod. European pigs could have also been brought over during the Roman-Byzantine period during the Crusades, the researchers said.
Es gibt also durchaus Unsicherheiten in der Datierung des Schweineimports!
Da es sich um eine Insel europäisch-stämmiger Wildschweine umzingelt von asiatischen Vettern handelt, wird der Landweg ausgeschlossen. Im Artikel werden neben den Philistern auch Römer, Byzantiner und Kreuzfahrer verdächtigt, die europäischen Schweine übers Meer nach Israel gebracht zu haben.
Als mögliche Erklärung sehe ich eine mutmaßliche Massenfreilassung europäisch-stämmiger Hausschweine und zwar von so vielen Schweinen, dass sie die verwilderten Hausschweine die autochtone Wildschweinpopulation überlagern könnte.
So etwas ähnliches kann man in Europa bei den Nerzen beobachten. Unter anderem aufgrund von Massenfreilassungen von amerikanischen Nerzen (Mink) aus Pelztierfarmen, breiten sich die amerikanischen Nerzen in Europa aus und verdrängen den europäischen Nerz.
Religiös motivierte Massenfreilassungen von importierten Schweine kann ich mir bei den religiösen Unruhen in Antike und danach durchaus vorstellen. Man ließ die armen Schweine der verhassten Besatzer einfach frei. (Meine Theorie entspricht in weiten Teilen übrigens dem Spielfilm "
Das Schwein von Gaza".)
Nur eine Hypothese:
Wenn nun die europäischen Schweine in der Eisenzeit über die Erzfeinde der Israeliten, die Philister, Einzug in das gelobte Land gefunden heben, dann ist es doch logisch, dass die erzfeindlichen Tiere unrein sind.
Israel Finkelstein vertrat die selbe These, noch bevor die Genetik der nahöstlichen Wildschweine erforscht wurde. Die proisraele Bevölkerung habe versucht sich von den Philistern abzugrenzen. Zuerst entwickelten sie einen Schweinefleischverbot, da die Philister sehr fleißige Schweinezüchter gewesen wären. Erst danach entwickelten sie den Monotheismus - und zwar aus den gleichen Gründen, nämlich zur Identitätsstiftung.