Nicht nur das, die Odyssee, aber auch die Ilias sind auch ganz bedeutende sozialhistorische Quellen, denn man erfährt doch eine ganze Menge. So erzählt Odysseus bei Eumaios seine Lebensgeschichte als angeblicher kretischer Kaperkapitän.
Der alte Nestor begrüßt Telemachos mit den Worten:
Woher kommt ihr Fremde auf den salzoígen Pfaden und in welchen Geschäften? Seid ihr Piraten, die die Meere durchstreifen und den Fremden Böses zufügen?"
Eine wahre Fundgrube ist die Odyssee im Bezug auf die welt des Eumaios und der Eurykleia. Eumaios, der treue Sklave ist der Vormann von Odysseus Sauhirten, doch von Geburt ist er ein Prinz, der von seinem Kindermädchen an die Phönikier verkauft wurde. Eurykleia die Amme des Odysseus war einmal sehr schön, und man erfährt, dass Laertes viermal mehr, als für eine gewöhnliche Sklavin bezahlt hatte. Bei sportlichen Spielen sind Sklavinnen Kampfpreise. Ein Mädchen, "wohlgebaut und erfahren in vielerlei Künsten" ist den homerischen helden 4 Stiere wert. Fast der halbe Preis für eine Bronzerüstung wie die des Diomedes, die dieser gegen die goldene des Lykierkönigs Glaukos, 100 Stiere wert, eintauscht.
Im Kriegslager vor Troja gibt es nur weibliche Sklavinnen. Männer werden entweder umgebracht oder ausgelöst. Interessant, dass das Schicksal eines Tagelöhners als grausamer, als das eines Sklaven erscheint. Achilleus erzählt in der Unterwelt, er möchte lieber als Tagelöhner auf Erden leben, als König unter den Toten zu sein.
Agamemmnon schwört bei der Versöhnung mit Achilleus feierlich, dass er Briseis immer zuvorkommend behandelt und niemals mit ihr geschlafen hat. Eumaios hofft, dass ihm sein Herr eine Sklavin und Land schenkt.
Dass sich die Geschichten des Odysseus auf eine oder mehrere historische Persönlichkeit beziehen, schließt die Wissenschaft heute nicht mehr aus. Heinrich Schliemann hat natürlich an seiner eigenen Legende gestrickt, doch hier haben sich unzählige Beschreibungen Homers durchaus als detailgenau erwiesen. Viele Angaben wie Homers Schiffskatalog sind so ausführlich und dezidiert, dass man kaum glauben kann, dass das alles Fiktion sein soll. Jahrhundertelang hielt man Troja und den Trojanischen Krieg für reine Fiktion. Dass die Leute von Argos Troja, eine Depandance des Hethiterreiches eroberten, ist heute zumindest als eine Theorie nicht völlig auszuschließen.
Die Odyssee ist sozusagen die erste Abenteuer und Science Fiction Geschichte der Weltliteratur. Man nimmt an, dass sie nicht allzulange nach der Ilias entstande ist. Den Handlungsraum sehe ich aber eideutig in einem fiktiven Mittelmeerraum an. Bei der Polyphemgeschichte möchte man wohl am ehesten an einen barbarischen Raum denken. Die Kyklopen erscheinen als typische Vertreter des Barbarentums. Sie vertrauen allein der eigenen Kraft, jeder lebt für sich allein, sie kennen keine Staatsbildung, keine Volksversammlung. In der cuisine sind sie ebenso barbarisch, sie leben den typischen Stil einer Hirtenkultur, sie kennen den Weinbau nicht, ernähren sich von Milch, Käse und am schlimmsten von allem, von Schiffsbrüchigen. Der Mittelmeerraum war auch der Leserschaft vertraut, es gab Landstriche, die exotisch und unbekannt waren, mit denen bestimmte Vorstellungen verbunden waren. Etwa wie wir sie als Kulissen für Abenteuer- und Wildwestfilme kennen. Wenn die Handlung völlig jenseits der Mittelmeerkulturen angesiedelt gewesen wäre, hätte sich die Zuhörerschaft nicht mit diesen Erzählungen nicht identifizieren können, weil sie in einem Kulturraum angesiedelt gewen wären, der völlig unbekannt war. Die Phönikier segelten bereits auf dem Atlantik und brachten Zinn aus Britannien mit, der Wirtschafts- und Kulturraum Nr. 1 war aber das Mittelmeer. Abgesehen davon, stellt sich die Frage, woher Homer oder die Dichter in seiner Tradition Nachrichten über den Nord- und Ostseeraum besessen haben sollten, um ihn zum Schauplatz der Handlung z. B. der Unterwelt zu machen. Hier nennt Homer ja einen ganz realen Fluss, Acheron, wo der Zugang zur Unterwelt liegen sollte. Dort hat man vor Jahren übrigens eine Orakelstätte gefunden.
Diskussion lebt immer von der Kontroverse, @amphylike nyx. Du solltest daher Zweifel an der Ostseetheorie nicht persönlich nehmen. Manches, was heute historisch abgesichert ist, galt lange Zeit als Spinnerei.
Die Theorie, die du vorgestellt hast, erscheint mir, wie auch den anderen wenig stichhaltig. Der Diskussionsbeitrag war aber trotzdem interessant, nicht zuletzt deshalb, weil ich mir überlegt habe, aus welchen Gründen mir die Theorie als unwahrscheinlich erscheint und was Homer, als Quelle aussagt.
Gruß, Scorpio