Tirol in Mittelalter und Neuzeit

Shinigami

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Ich übernehme folgende Passage mal aus dem Faden "Widerstandskämpfer", weil ich den nicht weiter mit offtopic belasten möchte:

Die Bayern begannen schon bald, die Tiroler Eigenheiten zu ignorieren. Manche Reformen mochten durchaus gut gemeint sein, kamen aber trotzdem nicht gut an. (Eine Erfahrung, die bereits Kaiser Joseph II. mit seinen Untertanen machen musste.) Schließlich wurde (das seit dem Mittelalter bestehende) Tirol sogar als territoriale Einheit zerschlagen.
Ein besonderer Knackpunkt war das „Landlibell“, in dem Kaiser Maximilian I. den Tirolern zugesichert hatte, nur zur Verteidigung Tirols zwangsrekrutiert zu werden. Unter bayrischer Herrschaft wurden hingegen sehr wohl Tiroler ausgehoben, um für Napoleon verheizt zu werden.

Hierzu hätte ich einmal 2 Fragen:

Die Erste betrifft Tirol als territoriale Einheit. Mir ist auf diversen Karten aufgefallen, das noch im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert in Teilen die Bistümer/Hochstifte Brixen und Trient als nicht unmittelbar zur Grafschaft Tirol gehörig ausgewiesen werden, ich habe allerdings auch schon kolorierte Karten gesehen, in denen sie schraffiert dargestellt wurden, was eine nährere Verbindung oder besonders Beziehungsverhältnis zu Tirol anzudeuten scheint.

Deswegen würde ich mich hier einmal dafür interessieren, wie eigentlich konkret das Verhältnis zwischen Tirol und den beiden Hochstiften gelagert war? Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass das historische Bistum Trient im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ja durchaus im italienischen "Irredentismo" und anderen Strömungen eine Rolle spielt, während es von österreichischer Seite wohl als seit sehr langer Zeit zu Tirol gehörig betrachtet wurde.


Das zweite, was mich interessieren würde, wäre die Frage, aus welchem Grund Maximilian Tirol einen solchen Sonderstatus zugesichert hatte.
Das im Besonderen wenn Länder in Personalunion regiert wurden, mit den Ständen imer wieder Kompromisse gesucht werden mussten, wenn es um die Finanzierung von Kriegen und das stellen von Soldaten geht und darum, wo diese eingesetzt werden durften, ist mir grundsätzlich klar, dass kenne ich auch aus anderen Teilen der Habsburger Monarchie, im Besonderen Ungarn, dessen Magnaten ja immer stets darauf bedacht waren sich nicht zu sehr für die Wiener Politik einspannen zu lassen.

Aber normalerweise würde man solche Regelungen vor allem in Territorien erwarten, die irgendwann mal in Personalunion zu den Stammlanden einer bestimmten Dynastie hinzu kamen, zu Bedingungen der Stände, die dem neuen Landeherren die Herrschaft antrugen.
Aber die Grafschaft Tirol zählt ja eigentlich zu den ältesten Besitzungen des Hauses Habsburg und war lange vor Maximilian in dessen Besitz. Daher scheidet diese Erklärung aus und dann würde mich doch interessieren, was Maximilian seinerzeit eigentlich bewogen hatte das zu garantiren?
 
Die Erste betrifft Tirol als territoriale Einheit. Mir ist auf diversen Karten aufgefallen, das noch im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert in Teilen die Bistümer/Hochstifte Brixen und Trient als nicht unmittelbar zur Grafschaft Tirol gehörig ausgewiesen werden, ich habe allerdings auch schon kolorierte Karten gesehen, in denen sie schraffiert dargestellt wurden, was eine nährere Verbindung oder besonders Beziehungsverhältnis zu Tirol anzudeuten scheint.

Deswegen würde ich mich hier einmal dafür interessieren, wie eigentlich konkret das Verhältnis zwischen Tirol und den beiden Hochstiften gelagert war?
Das ist im Detail kompliziert und war in der Praxis oft strittig. Die Bistümer Brixen und Trient waren bis zur Säkularisation reichsunmittelbare geistliche Fürstentümer (wie etwa Salzburg), gehörten also reichsrechtlich-territorial nicht zu Tirol. Dennoch gehörten die beiden Bischöfe zu den Tiroler Landständen und waren im Tiroler Landtag vertreten.
Das zweite, was mich interessieren würde, wäre die Frage, aus welchem Grund Maximilian Tirol einen solchen Sonderstatus zugesichert hatte.
Das im Besonderen wenn Länder in Personalunion regiert wurden, mit den Ständen imer wieder Kompromisse gesucht werden mussten, wenn es um die Finanzierung von Kriegen und das stellen von Soldaten geht und darum, wo diese eingesetzt werden durften, ist mir grundsätzlich klar, dass kenne ich auch aus anderen Teilen der Habsburger Monarchie, im Besonderen Ungarn, dessen Magnaten ja immer stets darauf bedacht waren sich nicht zu sehr für die Wiener Politik einspannen zu lassen.

Aber normalerweise würde man solche Regelungen vor allem in Territorien erwarten, die irgendwann mal in Personalunion zu den Stammlanden einer bestimmten Dynastie hinzu kamen, zu Bedingungen der Stände, die dem neuen Landeherren die Herrschaft antrugen.
Aber die Grafschaft Tirol zählt ja eigentlich zu den ältesten Besitzungen des Hauses Habsburg und war lange vor Maximilian in dessen Besitz. Daher scheidet diese Erklärung aus und dann würde mich doch interessieren, was Maximilian seinerzeit eigentlich bewogen hatte das zu garantiren?
Nicht ganz. So wie etwa auch in Bayern und anderen Territorien des HRR kam es im Spätmittelalter auch in den habsburgischen Besitzungen zu Erbteilungen. Tirol war zwar seit 1363 habsburgisch, hatte aber später fast ein Jahrhundert lang seine eigenen Grafen (Friedrich "mit der leeren Tasche" und Sigismund "der Münzreiche"). Maximilian hingegen entstammte der ursprünglich in der Steiermark und Kärnten regierenden Linie, die es unter Maximilians Vater Friedrich zur Herrschaft auch über das (Erz-)Herzogtum Österreich und zur Kaiserwürde gebracht hatte, und konnte Tirol erst 1490 übernehmen. Insofern war er in Tirol durchaus ein landfremder Neuling. Dass er Tirol überhaupt übernehmen konnte, hatte er den Tiroler Landständen zu verdanken, die ihren Sigismund zur Abdankung (zu Gunsten Maximilians) nötigten. Maximilian war den Landständen also etwas schuldig.

Das "Landlibell" war zur Zeit seiner Entstehung allerdings auch für den Landesherrn kein Rück-, sondern ein Fortschritt, weil es in rechtsverbindlicher Weise eine Wehrverfassung mit einer Art Wehrpflicht festlegte. Der Landesherr war zur Landesverteidigung also nicht auf Lehensaufgebote (mehr oder weniger unwilliger Vasallen) oder Söldner angewiesen. Im Gegenzug sollten diese Wehrpflichtigen nicht für Feldzüge außerhalb Tirols herangezogen werden.
 
Dennoch gehörten die beiden Bischöfe zu den Tiroler Landständen und waren im Tiroler Landtag vertreten.
Naja, das halte ich nicht unbedingt für eine große Besonderheit. Das reichsunmittelbare Bischöfe auch in ihren weltlichen Herschaftsbereichen benachbarten Gebieten Territorien besaßen, die sie für die Landstände qualifizierten, wird es öfter gegeben haben, wenn sie nicht ohnehin schon deswegen zu den Landständen zählten, weil benachbarte Territorien ganz oder mindestens teilweise in ihre Diözese fielen und sie dort als die bedeutendsten lokalen geistlichen Herren nicht übergangen werden konnten, die Grenzen der Kirchenprovinzen waren ja in den seltensten Fällen mit denen der weltlichen Fürstentümern deckungsgleich.

Gab es denn betreffend der beiden Bistümer sonst mal irgendwelche Habsburgischen Sonderrechte? Gesonderte Abkommen mit Rom bezüglich habsburgischen Einflusses bei der BEsetzung der Bischofsstühle oder dergleichen?

Maximilian hingegen entstammte der ursprünglich in der Steiermark und Kärnten regierenden Linie, die es unter Maximilians Vater Friedrich zur Herrschaft auch über das (Erz-)Herzogtum Österreich und zur Kaiserwürde gebracht hatte, und konnte Tirol erst 1490 übernehmen. Insofern war er in Tirol durchaus ein landfremder Neuling. Dass er Tirol überhaupt übernehmen konnte, hatte er den Tiroler Landständen zu verdanken, die ihren Sigismund zur Abdankung (zu Gunsten Maximilians) nötigten. Maximilian war den Landständen also etwas schuldig.

Das erklärt es. Ich hatte irgendwie fälschlich im Kopf, dass es mit den Habsburgischen Erbteilungen, was die österreichischen Territorien betrifft mit Friedrich III. vorbei gewsen wäre. merci!

Das "Landlibell" war zur Zeit seiner Entstehung allerdings auch für den Landesherrn kein Rück-, sondern ein Fortschritt, weil es in rechtsverbindlicher Weise eine Wehrverfassung mit einer Art Wehrpflicht festlegte. Der Landesherr war zur Landesverteidigung also nicht auf Lehensaufgebote (mehr oder weniger unwilliger Vasallen) oder Söldner angewiesen. Im Gegenzug sollten diese Wehrpflichtigen nicht für Feldzüge außerhalb Tirols herangezogen werden.
War das aus der habsburgischen Position heraus tatsächlich so vorteilhaft?
Für viele Landesherren wäre es das sicherlich gewesen, aber die Habsburger sehe ich da doch etwas in einer Sonderposition als Kaiser (oder jedenfalls kaiserfähige Familie, so zementiert war das habsburgische König- und Kaisertum zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht) und Dynastie, die auf die Kronen von Burgund, Böhmen und Ungarn spekulierte?

Das Kaisertum setzte ja durchaus vorraus hin und wieder möglicherweise auch militärisch im Reich zu aggieren, die Durchsetzung der dynastischen Ansprüche und die Abwehr konkurrierender Ansprüche von anderer Seite konnte auch militärische Mittel erfordern.

Und sicherlich hatten Lehensaufgebote ihre Probleme und Tücken und waren im Sinne der Landesverteidigung eher ein Nachteil, aber Regelungen, die einzelne Landschaften nur zur Landesverteidigung militärisch in die Pflicht nahmen, mussten doch im Hinblick auf eine aktive Reichspolitik und dynastische Auseinandersetzungen eher nachteilig gewesen sein.
In Sachen "Türkengefahr" dürfte sich dass von dieser Seite her ja dann auch eher als Hinderniss erwiesen haben, insofern von dieser Seite her Tirol nicht direkt bedroht wurde oder wurde ein Angriff auf die Erblande gleichzeitig auch automatisch als Angriff auf Tirol als Teil der Erblande betrachtet?
 
Das erklärt es. Ich hatte irgendwie fälschlich im Kopf, dass es mit den Habsburgischen Erbteilungen, was die österreichischen Territorien betrifft mit Friedrich III. vorbei gewsen wäre.
Nein, da war bestenfalls "Halbzeit". Nach dem Tod von Kaiser Ferdinand I. kam es zu einer erneuten Teilung, die erst 1665 beendet wurde. Auch da war Tirol das letzte ausständige Territorium, und auch da setzte sich die ursprünglich in "Innerösterreich" (Steiermark und Kärnten) herrschende Linie durch.
 
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