Aber wie soll diese Ewigkeitsklausel uns denn schützen?
Nur mal rein hypothetisch:
Was wäre, wenn eine brutale rechte Partei die Macht ergreifen würde, glaubst du wirklich die würde aus Rücksicht vor der Ewigkeitsklausel innehalten und diese nicht abschaffen?
Viel eher schützen kann uns das Widerstandsrecht im Grundgesetz, das jeden Bürger berechtigt, eine antidemokratische Regierung notfalls gewaltsam abzusetzen.
Gegen faktische Machtverhältnisse schützt kein Gesetz der Welt. Auch nicht das Widerstandsrecht, denn um Widerstand gegen eine entsprechende die Macht usurpierende extemsistische Bewegung tatsächlich zu schützen, müsste diese Bewegung sich ja selbst für illegal erklären.
Faktisch schützt das Widerstandsrecht nur vor nachträglicher Verfolgung von Taten, die sich gegen eine faktisch usurpierte oder Grundgesetzwidrige damit illegale Herrschaft richten.
Das heißt, das Recht auf Widerstand hat für denjenigen, der sich darauf berufen möchte nur dann einen faktischen Wert (den das seine Taten in diesem Kontext nicht verfolgt werden) wenn die unrechtmäßige Usurpation der Herrschaft durch eine Extremistische Bewegung bereits erfolgreich abgewendet wurde.
In diesem Sinne unterstützt das Gesetz nicht den aktiven Kampf gegen eine unrechtmäßige Usurpation der Macht, sondern verschafft nur nach erfolgreicher Widerherstsellung der verfassungsmäßigen Ordnung Amenstie für solche Taten, die mit dem Sturz der Usurpationsmacht in direktem Zusammenhang stehen.
Die "Ordnungskräfte" eines entsprechenden Usurpationsregimes, bzw. mit diesem etwaig kollaborierende Behörden, wird das hingegen nicht beeindrucken, noch garantiert es irgendeinen Mobilisierungseffekt in der Bevölkerung, wenn der Usurpationsmacht zur breiten Abschreckung hinreichende Gewaltmittel faktisch zur Verfügung stehen.
Aber in der Ewigkeitsklausel sehe ich keinen wirklichen Schutz.
Nehmen wir mal an, in der Weimarer Republik hätte es eine Ewigkeitsklausel schon gegeben.
Glaubst du ernsthaft, Hitler hätte dann gesagt: "Ach nee, wir lassen das mit der Diktatur mal, die Ewigkeitsklausel verbietet es mir ja."
Ganz sicher hätte der die Klausel abgeschafft.
Zunächst mal, garantiert die Klausel, wie sie heute besteht, im Rahmen des Artikels 20 gg. dem Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland als demokratisches Staatsgebilde:
Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Wikipedia
Insofern hätte die Ewigkeitsklausel und damit die grundsätztliche Vorraussetzung, dass eine Partei, die versucht die Grundlagen der demokratischen Ordnung zu unterlaufen sich per se nicht legal verhalten kann, weil die Verfassung eine solche Änderung überhaupt nicht zulässt, die juristische Handhabe gegeben, mindestens die NSDAP und die KPD von vorn herein zu verbieten und zwar bereits in einem Stadium, bevor beide zu Massenparteien waren und eine entsprechende Basis in der Bevölkerung an sich binden konnten.
Auch den radikaleren Flügeln von DNVP und USPD (bis 1923), wären damit juristische Grenzen zu setzen gewesen.
So lange die Demokratie, nicht durch Ewigkeitsklausel geschützt, als nicht umstößliche Gesellschaftsordnung festgeschrieben war, konnten in unserem Verständnis extremistische Parteien natürlich für ihre reine Parteiarbeit nicht belangt werden, sondern allenfalls dafür, wenn sie Putschversuche undernahmen oder öffentlich zu rechtswidrigen Gewaltakten aufriefen.
Dadurch war ihnen die Möglichkeit gegeben zu wachsen und im Hinblick auf potentielle Schlagkraft so starkt zu werden, dass man sie, wenn sie die bestehenden regeln überschritten, nur mit Mühe in ihre Grenzen zurücktreiben konnte, inklusive der entsprechenden Schwierigkeit, Parteiungen, die eine breite Resonanz im Volk hatten und nach damaliger Rechtsauffassung eine legitime Änderung der Verhältnisse herbei führen wollte, da verfassungsmäßig eine Änderung der Regierungsform ja nicht ausgeschlossen war, wenn man Mehrheiten zusammen bekam die Verfassung zu ändern.
Wenn wir uns die Frage Hitler stellen, da sei dabei zu bedenken gegeben, dass die NSDAP ja nicht als Millionenorganisation vom Himmel fiel, sondern mal mit ein paar Dutzend Männeken in einem Münchner Bierkeller anfing, wie gleichsam die KPD mal als eine radikale Splittergruppe der USPD begann.
Wäre die parlamentarische Demokratie als unveränderlich in der Weimarer Verfassung festgeschrieben gewesen, so wie das heute in der Bundesrepublik der Fall ist, hätte das die Handhabe gegeben, diese Organisationen einzukassieren, bevor sie zu einer veritablen Bedrohung werden konnten.
Entsprechend hätte das einen Hitler mit den Machtmitteln, die er anno 1933 hatte möglicherweise nicht gekratzt, aber es hätte ganz andere Möglichkeiten gegeben, ihn viel früher abzufangen, sofern die Justiz einigermaßen funktioniert hätte.
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Was ein hypothetisches Vorhandensein neuerer Verfassungsinstitutionen mit Sicherheit nicht verhindert hätte, waren die Gewaltakte um den Spartakusbund, die Münchner Räterepublik oder den Kapp-Lüttwitz-Putsch, einfach weil die damaligen Anführer der entsprechenden Aktionen auf bereits organisiertes Gewaltpotential zurückgreifen konnten, das sie gewissermaßen noch aus dem Kaiserreich und der Umbruchszeit ererbt hatten und das bereits zur Zeit der Ausarbeitung und Annahme der Verfassung eine einigermaßen schlagkräftige Gegenmacht darstellte.
Der Betätigung von Leuten wie Hitler, Thälmann oder Hugenberg und dem Aufbau neuer, demokratiefeindlicher Massenorganisationen, die sich eben nicht mehr zum großen Teil auf die traditionellen Interessenverbände der obrigkeitlichen Interessengruppen des Kaiserreichs und auch nicht uneingeschränkt, auf den tradierten Widerstand dagegen und die Gewerkschaftsbewegung als Organisationsrahmen stützen konnten, hätte ein solches gesetzliches Rahmenwerk allerdings reichlich Stolpersteine in den Weg gelegt.