Scorpio
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Ich bin ein Chinese. Meiner Meinung nach hasse ich die Japaner deshalb noch mehr, weil sie überhaupt keine Reue zeigen, sich dieser Geschichte nie stellen und sich nie öffentlich für diese Gräueltaten entschuldigen. Im Gegenteil, die Japaner versuchen auch, die Geschichte zu verzerren und die Erinnerung ihres eigenen Volkes an diese Geschichte auszulöschen.
Von den Japanern, die Gräuel in China verübten, dürfte heute keiner mehr leben. Schuld ist individuell, die Vorstellung einer Kollektivschuld ist grauenhaft. In Deutschland war es mal die "Schuld" der Juden, vom Baby bis zum Greis, Juden zu sein- eine grauenhafte Vorstellung. Grauenhaft auch die Vorstellung einer deutschen Kollektivschuld. Es hat auch in Deutschland Widerstand gegeben. Natürlich waren die meisten Deutschen keine Widerstandskämpfer, sondern Mitläufer, Zuschauer, Mittäter. Auch Angehörige meiner Familie.
Der Protest gegen die alten Nazis in der gesamten deutschen Gesellschaft, in Spitzenpositionen in den 1960er Jahren war notwendig. Heute deckt die alle der grüne Rasen, aber sich wirklich Hitler und das Dritte Reich zurückgewünscht hätten sich nur wenige. Das waren zum Teil furchtbare Familiendespoten, manches, was sie sagten, war unterirdisch. Aber die meisten von ihnen sind im Laufe der Zeit in der Nachkriegsgesellschaft und in der Demokratie angekommen. Einige sogar noch ganz passable Demokraten geworden. In Deutschland war eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit Voraussetzung, um überhaupt mal wieder in die Staatengemeinschaft aufgenommen zu werden.
Ich glaube, einen ernsthaften Versuch, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, wird man der deutschen Gesellschaft insgesamt zubilligen können. Das ist aber kein Grund, sich über andere Nationen zu mokieren. Es machen Staaten und Gesellschaften unterschiedliche Zivilisationsprozesse durch. Manche Gesellschaften sind einfach noch nicht soweit für eine Vergangenheitsbewältigung. Auch in Deutschland gab es und gibt es Leute, die nie auch nur den Versuch unternommen haben, sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinanderzusetzen Die Erwähnung der Armenienmassaker in der Türkei ist problematisch, es gibt sogar einen Paragraphen der es unter Strafe stellt, das Ansehen der Türkei herabzusetzen. Sollte man dafür "die Türken" hassen?
Belgien ist eine sehr moderne Gesellschaft und hat eine sehr lange demokratische Tradition, die sogenannten Kongo-Gräuel waren aber bis vor wenigen Jahren kaum Thema. Generationen von Belgiern wurde in der Schule beigebracht, dass Leopold II. dem Kongo die Zivilisation und das Christentum gebracht hat. Sollte man dafür alle Belgier hassen? Das hieße das Kind mit dem Bade ausschütten. Bei Menschen ist auch zu bedenken, welchen Zugang an Bildung jemand hatte, was für Einflüssen jemand ausgesetzt war, was man ihm/ihr beigebracht hat.
Manche Menschen wissen es nicht besser, sie haben vielleicht bestimmte Ereignisse nur aus einer bestimmten Perspektive wahrgenommen. Es lassen sich Menschen aber von Argumenten überzeugen. Auch sehr sture, auch sehr engstirnige Zeitgenossen lassen sich überzeugen. Als Rassist wird man nicht geboren, man wird dazu gemacht. Überzeugen aber kann man nur jemanden, mit dem man kommuniziert, mag er einem auch noch so unsympathisch sein. Wenn man hasst, kommuniziert man nicht.
Hass ist verzehrend, wenn man jemanden hasst, dann sollte man es wenigstens aus den richtigen Gründen tun. Für das, was jemand getan hat, nicht wo er geboren ist. Geburt ist doch mehr oder weniger Zufall.