thanepower
... sondern auch zu hinterfragen, welche wissenschaftlichen Konstrukte herangezogen werden können, gesellschaftliche und politische Prozesse zu beschreiben.
Eine kryptische Aussage.
Was soll uns das in allgemeinverständlichen Worten sagen?
Insgesamt ein komplexes Thema und eine schwer zu formulierende, komplexe und auch unvollständige Antwort. Die Wiki-Artikel zu Fanon, Bhabha oder auch die Kritik von Gandhi an der westlichen Zivilisation verweisen auf die grundsätzliche Problematik postkolonialer Länder mit der fortwirkenden Bedeutung der ehemaligen Kolonialherren. Und verweisen auch auf die unterschiedlichen Lösungsansätze im Rahmen einer "Dekonstruktion" "kolonialer Traditionsbestände".
Frantz Fanon ? Wikipedia
Homi K. Bhabha ? Wikipedia
Mit dem Rückzug der Kolonialmächte sahen sich die ehemaligen Kolonien mit folgender Situation konfrontiert:
- eine nationale Elite, die nicht selten an den Universitäten der Kolonialmächte studiert haben und vor der Aufgabe stehen, die koloniale Vergangenheit mit der postkolonialen nationalen Zukunft zu verbinden (vgl. Frey & Dülffer)
Elites and Decolonization in the Twentieth Century - Google Books
- der Notwendigkeit, staatliche und gesellschaftliche Strukturen aufzubauen, die nicht selten an den früheren Kolonialmächten orientiert waren
- nicht zuletzt, da eine historische Kontinuität der nationalen, einheimischen Gesellschaften nicht gegeben war und somit postkoloniale Gesellschaften, nicht selten! aber nicht pauschal, auf keine eigenständigen Traditionsbestände aufbauen konnten, die das "Nationbuilding" angemessen unterstützt hätten (vgl. Rothermund zu vielen Länderstudien)
The Routledge Companion to Decolonization - Dietmar Rothermund - Google Books
- sich gleichzeitig die radikale Frage zu stellen, was Dekolonisierung für das jeweilige Land theoretisch und in der praktischen Umsetzung bedeutet. Wie eigenständig ist diese Entwicklung und wie stark wird man noch "fremdgesteuert".
Diese Situation hat in der postkolonialen Phase zu der Erkenntnis geführt, dass trotz der formalen Unabhängigkeit von den früheren Kolonialherren, die früheren Kolonien Modelle von Staaten errichtet haben, die dem der Kolonialherren entsprochen haben(vgl. P. Duara: Introduction: the cecolonization of Asia and Africa in the twentieth Century).
Decolonization: Perspectives from Now and Then - Google Books
Und gleichzeitig aber auch die Erkenntnis produziert, dass man die theoretischen und kulturellen Traditionsbestände der ehemaligen Kolonialherren im eigenen Interesse nicht komplett ignorieren konnte. In diesem Sinne: "Postkolonialistische Ansätze untersuchen Kultur und Identitäten sowohl der Kolonialzeit als auch der Zeit danach im Kontext des Kulturkonfliktes der
Kolonisierten wie auch der Kolonialmacht. (vgl. Wiki nachfolgend)" und versuchte angemessene Antworten zu formulieren.
Postkolonialismus ? Wikipedia
Die Adaption der traditionellen Theorien und kulturellen Vorstellungen der Kolonialmächte erfolgt dabei beispielsweise bei Fanon oder Bhabha im Rahmen einer "Dekonstruktion". Die einzelnen Vorstellungen innerhalb dieser westlichen Ansätze werden "zerlegt" und vor dem Hintergrund einer nationalen kulturellen Neudeutung wieder zusammen gesetzt (vgl. beispielsweise Fanon: Black Skin, White Masks). Und so werden "hybride" neue Theoriegebäude errichtet, die als Neukomposition zu verstehen sind.
Dekonstruktion ? Wikipedia
Was ist eine wissenschaftliche Identität???
Deutlich machen kann man das Problem an den theoretischen und kulturellen Traditionsbeständen der Aufklärung, die eine komplett europäische Tradition aufweist. In dieser historischen Kontinuität haben nicht wenige Theoretiker und Praktiker der nationalen Befreiungs-bewegungen gedacht und auch gehandelt. Nicht selten in Anlehnung an Varianten zu Marx, Durkheim, M. Weber oder auch Freud. Und damit die Pämissen und die Entwicklungen der industriellen Gesellschaften des Westens als Vorbild übernommen, kritisch hinterfragt und teilweise verworfen.
In dieser Entwicklung wird deutlich, dass den postkolonialen Gesellschaften für viele Phänomene in ihren Gesellschaften originäre nationale Konzepte fehlen. Es ist beispielsweise fraglich, in welchem Umfang die Elitentheorie von Pareto, Michels oder Mosca auf afrikanische Gesellschaften anzuwenden ist. Und diese Dekonstruktion wäre für viele andere Theorien und Konstrukte, wie beispeilweise "sozialer Wandel", in ähnlicher Weise zu leisten.
Und an diesem Punkt zeigt sich punktuell die nicht vorhandene "wissenschaftliche Identität" der postkolonialen Länder und den hohen Nachholbedarf, ihre koloniale Vergangenheit aufzubereiten und entsprechende "dekonstruierte" Theorie eigenständig zu entwickeln.
Das dennoch europäische Theorien den postkolonialen Ländern "überstulpt" wurden, nicht zuletzt auch durch multinationale Organisationen, hat zu Friktionen zwischen den Konzepten und nationalen Eigenheiten geführt, die teilweise schwer zu überbrücken waren und zu gravierenden Fehlentwicklungen in den postkolonialen Ländern geführt hat.
Beispeil: Auch in Anlehnung an die Vorstellung des weberschen Modernisierungsprozesses entwickelte Rostow ein volkswirtschaftliches Phasenmodell für wirtschaftliche Entwicklung, das politisch sehr einflussreich war. Dennoch zeigte sich in der Praxis der Wirtschaftsförderung von Entwicklungländern, dass das simple Kopieren von ökonomischen Konzepten ohne eine umfangreiche Anpassung, auch als "Dekonstruktion zu verstehen, nicht ausreichte.
The Stages of Economic Growth: A Non-Communist Manifesto ? Wikipedia