3.
Die 40% Stimmen, die Hitler, ausgehend von den Reichstagwahlergebnissen in 1932 einigermaßen sicher bekommen hätte, wenn sich im 2. Wahlgang Überläufer von DVP und DNVP zu ihm gesellt hätten, hätten ganz gut hinreichen können, um ihn zum Reichspräsidenten zu machen.
Ein Kandidat, der wenn er links nichts gewann, Hitler im rechten Spektrum das Wasser abgraben konnte, hätte sich auch erstmal finden und dann vor allem auch für die Wählerschaft von SPD und DNVP zusammen tragbar sein müssen, was dann schon einem Kunststück geglichen hätte.
Ein Stresemann hätte das vielleicht gekonnt, aber der war schon tot.
Und um die Stimmen der DNVP zu sichern und von Hitler weg zu halten, hätte ich da nur 2 Möglichkeiten gesehen.
1. Sich hinter einen Kandidaten aus den Reihen der DNVP oder einer DNVP-nahen Organisation zu stellen. Das wäre dann auf einen Reichspräsidenten Hugenberg oder eine Person, wie Franz Seldte oder Theodor Duesterberg hinausgelaufen. Ob die SPD-Mitglieder und Wähler aber dazu bereit gewesen wären, darf man sehr stark hinterfragen und ob ein solcher RP Hitler konsequent von der Macht weggehalten hätte, ebenfalls.
2. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, eine parteilose Populäre Figur aus dem Konservativen bis reaktionären Spektrum vorzuschlagen, die der DNVP und ihren Mitgliedern und Wählern vermittelbar gwesen wären. Wer konnte das aber sein?
Kriegshelden, die dafür tagten, hätte es dann nicht mehr gegeben. Hindenburg tot, Ludendorff mittlerweile ein rechtsextermistischer völlig abgespaceter Verschwörungsideologe, der bereit war mit Hitler zu marschieren, Scheer als "Sieger von Skagerak", mittlerweile auch verstorben, Groener für die Art, in der er sich in den Dienst der Republik gestellt hatte, bei den hochkonsveravtiven und erzreaktionären bereits weitgehend verbrannt.
Vielleicht hätte denen v. Seeckt vermitteln können, aber der wiederrum wäre für die SPD wegen des Nichthandels beim Kapp-Putsch vermutlich nicht vermittelbar gewesen.
Wäre noch die theoretische Möglichkeit gewesen, irgendeinen Hohenzollern zum Reichspräsidenten zu machen, wenn sich einer dazu hergegeben hätte. Der hätte bei vielen Konservativen Zustimmung gefunden und auch zuverlässig Hitlers befugnisse eingeschränkt, sicher in diesem Rahmen aber auch auf die Restauration der Monarchie hingearbeitet.
Ob das der SPD-Wählerschaft zu vermitteln gewesen wäre, darf man auch hinterfragen.
Selbst wenn Hindenburg bis zum Ende Hitler von der Kanzlerschaft weggehalten hätte, sehe ich doch ganz gute Chancen, dafür, dass dabei am Ende 1934 ein Reichspräsident Hitler herumgekommen wäre. Und ob dann irgendwas grundsätzlich anders oder nur etwas zeitverzögert gelaufen wäre, lässt sich nicht feststellen, dass gehört dann in den Bereich des Kontrafaktischen.
Hindenburg baute als RP viel Mist, aber wie ich dass sehe, konzentriert sich dieser Mist vor allen Dingen auf die Jahre 1928-1932. Und dass sind vor allen Dingen die beiden Reichstagsauflösungen in 1932, die vollkommen unnötig waren.
Im September 1930 war gewählt worden, folglich wäre regulär eine weitere Wahl erst im Herbst 1934 möglich gewesen und die Reichstagswahl vom September 1930 war noch dergestalt ausgefallen, dass sich daraus demokratische Parlamentsmehrheiten bilden ließen:
Reichstagswahlen in Deutschland – Wikipedia
Hindenburg arbeitete massiv darauf hin die SPD aus der Regierungsverantwortung heraus zu kegeln und zu schwächen um eine weiter rechts stehende Regierung zu stande zu bringen, die ihm besser in den Kram passte.
Was dabei heraus kam, waren die beiden relativ schwachen halbpräsidialen Kabinette Brüning, die nach der Durchsetzung des Hugenberg-Flügels in der DNVP und deren Ausscheiden aus der Brüning-Regierung keine Mehrheiten mehr zu stande bekamen hatten und zunehmend auf präsidiale Hilfe angewiesen waren.
Die erste Reichstagswahl 1932 geht vor allen Dingen darauf zurück, dass Hindenburg seiner Wunschkonstellation zu größerem Rückhalt im Parlament verhelfen wollte und was dabei herauskam ist, dass die Kleinparteien weitgehend von der Bildfläche verschwanden oder jedenfalls stark abwirtschafteten und die NSDAP ihre Stimmanteile verdoppelte.
Hätte Hindenburg an dieser Stelle nicht seinen Kopf durchsetzen und unbedingt eine "nationale" Regierung haben wollen und wäre er bereit gewesen sich mit den Sozialdemokraten irgendwie zu arrangieren und darauf hin zu wirken, dass auch das Zentrum dies wieder tun würde (die SPD war immerhin bereit Brüning zu tolerieren), dann wäre mit diesem reichstag und möglicherweise wechselnden Kabinetten und Mehrheiten bis Herbst 1934 durchzuregieren gewesen.
Wie ohne die Vorgeschichte der Präsidialkabinette Hindenburgschen Stils und ohne die Wahlerfolge der Nazis in 1932 und 1933, Wahlen in 1934 ausgefallen wären, weiß kein Mensch.
Möglich, dass die Talsohle der Wirtschaftskrise dann bereits so weit durchschritten gewesen wäre, dass die Unterstützung für die extremen Parteien nachgelassen hätte.
Ebenfalls möglich, dass sich die DNVP vom Hugenberschem Kurs einer Fundamentalopposition wieder verabschiedet hätte und wieder bereit gewesen wäre im Rahmen des parlamentarischen System mitzuwirken.
Kann man so alles nicht absehen.
Eins aber kann man absehen:
Wenn Hindenburg darauf bestanden hätte, die Wahlen nach regulärem Turnus abzuhalten und bereit gewesen wäre dauerhaft Zentrums- oder SPD-Kanzler (die weit mehr Resonanz in Volk und Parlament gehabt hätten, als es Papen und Schleicher jemals hatten) nötigenfalls mit präsidialen Verodnungen zu stützen oder als Präsidialkabinette fungieren zu lassen, wäre die NSDAP auf ihren 18%, die sie seit September 1930 hatte, erstmal sitzen geblieben.
Stellt sich die frage, wie die Bevölkerung darauf beim Wahlkampf denn reagiert hätte. Mag nämlich auch sein, dass die anhaltende Unterstützung für Hitler zum Teil auch dem Eindruck geschuldet war, dass der eine Mehrheit und nötigenfalls zusammen mit der DNVP durchaus erreichen können würde.
Ob er diese Resonanz gehabt hätte, wenn die NSDAP keine faktische Machstellung dahingehend gehabt hätte, dass sie das Parlament blockieren konnte, sondern sie mit >20% allenfalls krakeelen konnte über das, was die Regierung tat, aber auch qua Mehrheiten hätte tun können, ist dann auch noch einmal eine andere Frage.
Anno Januar 1933 blieben neben Hitler nicht mehr viele Optionen und die Optionen die noch blieben, waren hochriskant.
Die maßgeblichen Fehler, die Hindenburg gemacht hat und aus denen dann später Hitler resultierte, liegen für mich zwischen 1928 und 1930, weil er da, die eigentlich funktionierenden, demokratisch gesinnten Regierungen von seiner präsidialen Position aus reichlich unterminiert, z.B. auch dadurch, dass er Brüning völlig ohne Not absetzt, obwohl der außenpolitisch in Sachen Reparationsverhandlungen mindestens Teilerfolge zu verzeichnen hatte und völlig unnötige Reichstagswahlen ansetzte um sein Wunschkabinett durchzubekommen.
Mit fatalen Folgen.