Mich wundert die starke Veränderung. Wie so richtig beschrieben waren es die Araber, die viel von dem Wissen bewahrten, das am Ende der Antike verlorenging. Al Andalus war sicherlich eine Leuchtfackel der Bildung.
Wäre die Bildung nicht von den klerikalen Kräften bekämpft worden, die Welt hätte weiter sein können. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass nach der sogenannten Rückerorberung, die Wissenschaft auch in Europa einen schweren Stand hatte. Nicht umsonst wurden Leute wie Leornardo Da Vinci verfolgt.
"Das Ausland" und "die Kirche" mal wieder?
Klar, wenn Leonardo nicht verfolgt worden wäre- Von wem eigentlich? Hätte die Welt viel früher schon Fallschirme, Panzer und Fluggeräte gehabt.
Ohne das Verdienst arabischer Übersetzer und Wissenschaftler klein reden zu wollen- die überwältigende Mehrheit an antiker Literatur in Europa verdankt seine Erhaltung vor allem dem ungeheuren Arbeitsfleiß mittelalterlicher Skriptorien.
Das es in der frühen Neuzeit überhaupt so etwas wie Humanismus oder eine Wiedergeburt (Renaissance) antiker Bildung geben konnte, dass Autoren wie Erasmus von Rotterdam auf antike Autoren zurückgreifen konnten, das war nicht zuletzt auch der Vorarbeit der karolingischen Renaissance zu verdanken, die antikes Wissen bewahrt und die sich stärker am klassischen Latein orientierten. Autoren wie Roswitha die Nachtigall von Gandersheim schrieben Latein wie Plinius und Tacitus.
Wer konnte denn überhaupt im frühen Mittelalter lesen und schreiben? Es waren Mönche und Nonnen, die Wissen der Antike bewahrt haben, die Verbesserungen in der Landwirtschaft, in der Fischzucht, in der Veredelung von Obstkulturen, in der Veterinärmedizin bewahrt und weitergegeben haben. Autoren wie Tacitus oder Sueton wurden durch mittelalterliche Skriptorien bewahrt. Irgendwann tauchten sie in einer Klosterbibliothek auf.
Es waren Mönche und Nonnen, eben jene "klerikalen Kräfte" die die "Fackel der Bildung" leuchten ließen.
Das waren auch Frauen vertreten! Roswitha "die Nachtigall" von Gandersheim schrieb elegantes Latein, nach dem Vorbild von Plautus und Terenz. Hildegard von Bingen war eine Pharmakologin, da hätten Galen von Pergamon und Hippokrates von Kos gestaunt.
Seneca und andere Autoren haben noch diskutiert ob die Frau eine Seele besitzt. Bei dem was mittelalterliche Klerikerinnen und Dunkelfrauen wie Hildegard so vom Stapel ließen, wären manche antike Autoren rot angelaufen:
Hildegard von Bingen schrieb über sexuelle Begierde, über vorzeitigen und nächtlichen Samenerguss, über das Lustempfinden der Frau, über Empfängnis und Empfängnisverhütung über Menstruationszyklen. Hildegard war vermutlich die erste Autorin, die den weiblichen Orgasmus en Detail beschrieb. Die die menschliche Sexualität untersuchte. Die sexuelle Begierde war für Hildegard so etwas wie eine "göttliche Kraft" und sie verlangte von ihren Nonnen nicht die totale Unterdrückung der Sexualität. Damit eckte sie natürlich an. Sie wurde aber nicht verfolgt- im Gegenteil Hildegard von Bingen war eine Koryphäe von Rang, und sie wurde schließlich posthum wenn auch spät heilig gesprochen.
Hildegard von Bingen beschäftigte sich mit Mystik, Musik, Botanik und Medizin. Man könnte sie durchaus als so etwas wie eine Universalgelehrte bezeichnen, auch wenn Hildegard selbst immer mit ihrer "Unwissenheit" kokettierte und sich als indoctus- ungelehrt bezeichnete, kann man sie durchaus mit Leonardo da Vinci vergleichen.
Hildegard von Bingen lebte von 1098 bis 1179 da war von der Renaissance noch keine Rede, und es gab auch noch keine Universitäten im Reich. Hildegard konnte auf antike Werke zurückgreifen, weil Skriptorien im frühen Mittelalter viel bewahrt haben, und sie haben sich dabei unendliches Verdienst erworben.
Was und wer im Mittelalter unter Kleriker so alles zu verstehen war, darüber müsste man einen eigenen Thread aufmachen. In historischen Romanen oder Schmonzetten finden sich grob gehauen 3-4 Typen:
1.
den trinkfesten, volksnahen Mönch wie Friar Tuck oder Willem van Saaftinge,
2. der finstere Kleriker wie Dekan Claude Frollo aus Der Glöckner von Notre Dame
3. der Kirchenfürst wie Kardinal Richelieu in "Die drei Musketiere" und schließlich gibt es noch 4
. den völlig durchgeknallten Inquisitor wie Bernado Gui in Der Name der Rose oder man könnte an den Verfasser des Hexenhammers Heinrich Kramer Institoris denken.
5. weise Frauen, Proto-Feministinnen, Hexen, Huren und Heilige treten vorzugsweise als Wanderhuren oder bogenschießende Äbtissinnen in Erscheinung Das historische Beispiel Hildegard von Bingen ist zu sperrig und stört auch bestimmte Narrative.
Klerus, im Mittelalter (auch in der Neuzeit nicht) das ist kein monolithischer Block, und es gehören Personengruppen dazu, die sich in Lebensformen sehr stark voneinander unterschieden.
In der Bewahrung antiker Literatur haben Mönche und Nonnen wie Hildegard von Bingen im frühen und hohen Mittelalter sich ungeheure Verdienste erworben. Sie, und sie allein, waren es, die antike Schriften kopiert, bewahrt und gesammelt haben. Die karolingische Renaissance war vor allem das Werk der "klerikalen Kräfte", und Klöster wie St. Gallen, Hersfeld oder Corvey waren "Fackeln der Bildung", und sie waren es, lange bevor die ersten Universitäten gegründet wurden, und die europäische Philologie sich von der Scholastik freischwamm.
Die karolingische Renaissance findet weit weniger Beachtung, als die Renaissance der Neuzeit, aber sie hat im Grunde die Vorarbeit dazu geleistet. Nicht nur das: Autorinnen wie Hildegard von Bingen oder Friedrich II. haben sich nicht damit begnügt, antike Literatur und Informationen daraus kritisch durch eigene empirische Beobachtungen zu ergänzen und notfalls auch Autoritäten wie Aristoteles in Frage zu stellen und zu korrigieren.