Am besten beides im direkten Vergleich.
Damit Naturwissenschaft in einer Kultur entstehen kann, braucht es eine Reihe von weltanschaulichen Rahmenbedingungen, die keineswegs so selbstverständlich sind wie es denjenigen erscheinen mag, die sie aus ihrer eigene Geschichte kennen. Zu glauben, man müsse einer Kultur nur Zeit geben, dann stelle sich die Wissenschaft irgendwann aufgrund irgendwelcher innerer Entwicklungszwänge automatisch ein, ist ein Denkfehler, wie die vielen Beispiele von Kulturen zeigen, denen ein oft langes geschichtliches Dasein beschieden war und die in mancherlei Hinsicht eine Blüte erlebt haben, die dann aber wieder untergegangen sind, ohne dass sie empirische Wissenschaft hervorgebracht hätten.
Im Folgenden zähle ich einige der weltanschaulichen Voraussetzungen auf, die den Nährboden für das Sprießen der Wissenschaft darstellen und die allesamt durch die christliche Weltsicht bereitgestellt werden, während manche von ihnen in anderen Religionen fehlen.
1. Die Welt existiert.
Diese Überzeugung begründet erst den Sinn des Vorhabens, die Struktur der Welt zu erforschen. In vielen asiatischen Glaubenssystemen wird die Welt als bloße Illusion angesehen („maya“), eine Täuschung, der man sich nicht neugierig-untersuchend zuwenden soll, sondern der man entfliehen soll, um in seinem Inneren das wahre Sein zu entdecken.
2. Die Welt ist gut.
Die Flucht vor der Welt in die Innerlichkeit erscheint auch dann als die bessere Alternative zur forschenden Zuwendung, wenn sie zwar als real, aber als schlecht, als wertlos angesehen wird, wie wir das z.B. in neuplatonischen und gnostischen Strömungen der Spätantike antreffen. [Christentum: „Gott sah, dass es gut war“]
3. Die Welt ist nicht selbst göttlich, sondern wurde von Gott erschaffen.
Eine nach Art vieler heidnischer Religionen als pantheistisch oder animistisch gedeutete Welt steht dem Menschen als ein mit göttlichen Wesen und ihren Wünschen und Forderungen durchsetztes Gebilde gegenüber, das ihm Anbetung, Opfer und Furcht abverlangt anstatt sich seiner Neugier als zu erforschendes Objekt darzubieten. [Hooykaas: „De-Deifizierung“]
4. Die Welt weist Ordnung auf
Der Wille zur Erforschung der Welt würde an der Realität zerschellen, wenn diese nicht durch geordnete Strukturen geprägt wäre, sondern dem Erkenntniswillen als unzusammenhängendes Chaos gegenüberstünde. Zentral ist hier der Gedanke der Kausalität. Nach christlicher Auffassung hat Gott der Wirklichkeit als Gesetzgeber eine kausale Gesetzmäßigkeit eingepflanzt, nach der sie quasi auf Autopilot funktioniert, ohne dass Gott jede Einzelheit separat bewirkt. Hier haben wir einen auffallenden Kontrast zu einem Denken, das die islamische Welt zumindest ab dem 12. Jahrhundert prägte, in dem der extrem einflussreiche Theologe al-Ghazali durch seine antikausale Polemik die empirische Wissenschaft nach Einschätzung mancher Ideenhistoriker fast im Alleingang zum Stillstand brachte.
5. Diese Ordnung ist präzise.
In antiken Kosmogonien haben Schöpfergestalten die Welt immer aus präexistenten Substanzen geformt und dadurch keine vollkommene Kontrolle über das Ergebnis, dem stets einen Rest an essenzieller Unberechenbarkeit zu eigen war. Gemäß Platon z.B. können nur abstrakte Formen, nicht aber die Erfahrungswirklichkeit präzise beschrieben werden. Nach christlicher Weltsicht hingegen hat Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen und ihr dadurch in vollständiger Kontrolle ihre präzisen Eigenschaften gegeben, die präzisen mathematischen Gesetzen folgen und sich deshalb zur mathematischer Beschreibung anbieten.
6. Und sie ist erkennbar.
Nach christlicher Auffassung ist der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Damit ist nicht eine Ähnlichkeit in der Barttracht gemeint, sondern eine Entsprechung in der intellektuellen Struktur. Der göttliche Logos ist gleichermaßen die ursächliche Quelle der Struktur der Welt und der Struktur des menschlichen Erkenntnisapparates und verbürgt durch diese Isomorphie die prinzipielle Möglichkeit der adäquaten Reflexion. Hier ist ein Vergleich mit dem Weltverständnis aufschlussreich, das die chinesische Kultur prägte. Gemäß diesem weist die Welt zwar eine gewisse Ordnung auf, die dem menschlichen Verständnis aber weitgehend unzugänglich ist, weil es keine epistemisch vermittelnde Instanz gibt.