II.
Ich würde zusammenfassend meinen, dass die realen Auswirkungen der Wirtschaftskrise an und für sich relativ wenig zum politischen Erfolg der NSDAP beigetragen haben dürften.
Was etwas dazu beigetragen hat, waren reale Entwicklungen der gesamtwirtschaftlichen Lage, die ältere und weniger konkurrenzfähigere Berufsstände bzw. deren Angehörige realiter wirtschaftlich gefährdeten, die aber mit der Wirtschaftskrise selbst in keinem engeren Zusammenhang standen.
In dieser Hinsicht half Hitler sicherlich, dass sich im Gegensatz zum Katholischen Millieu das Protestantische Milleu in Ostelbien und dem übrigen Norddeutschland niemals schichtübergreifens solidarisch organiserte, sondern die konvervativen/reaktionären Parteiungen auf der protestantischen Seite (DVP/DNVP) sich weitgehend an die besitzenden Schichten und alten Eliten des Kaiserreiches richteten, wohingegen sie kaum sozialpolitische Vorstellungen entwickelten.
Dadurch und durch das Fehlen von Schwerindustriellens Regionen und damit auch der Grundlage für eine kommunistische oder sozialdemokratische Politik, fehlte in diesen Gebieten eine organiserende Gegenmacht und die Parteibindung vor dem Auftreten der NSDAP da bei den unteren Schichten eher gering gewesen sein mag.
Die dortige Wählerschaft hatte ein Interesse an der Behebung eigener wirtschaftlicher Probleme. Aber die waren gar nicht Kriesen- sondern entwicklungsbedingt, insofern lag die Lösung aus Sicht dieser Wählerklientel vermutlich weniger in vermeintlichen Sozialversprechungen, sondern in einer dezidiert antimodernen, im Hinblick auf die Landwirtschaft protektierenden und im Hinblick auf die Industrie einschränkenden Politik.
Schaut man sich mal die Wahlergebnisse von 1924 und 1928 an, wird die regionale Problematik Ostelbiens, ausnehmlich des recht stark industriellen Schlesiens bereits an den Wahlergebnissen der DNVP deutlich und das besonders in Pommern und Schlesien:
Reichstagswahl Dezember 1924 – Wikipedia
Reichstagswahl 1928 – Wikipedia
Fragen wir uns an dieser Stelle einfach mal, warum man denn in Zeiten in denen es wirtschaftlich einigermaßen lief, ausgerechnet die DNVP, die ja bevor die NSDAP eine ernstzunehmende Kraft wurde die Rechtsaußenpartei der Weimarer Republik war?
Die Problemtik der Grenzziehungen allein kann es nicht gewesen sein, denn wenn das allein das Wählen rechtsextremer oder jedenfalls radikal rechter Parteien an und für sich herbeiführen würde, hätte eine solche Partei auch in Oberschlesien und im Rheinland (Ostoberschlesien, Hultschiner Ländchen, Kreis Namslau, Eupen-Malmedy, Saargebiet bis 1935, Französische Besatzung bis 1929) einiges an Gewicht haben müssen.
Kam aber so nicht zustande.
Wenn wir uns über wirtschaftliche Aspekte unterhalten, dann mögen diese beiden Wahlergebnisse Ausdruck dessen sein, dass der gesamtwirtschaftliche Aufschwung der Konjunktur in der Mitte der 1920er Jahre im Osten, außer bei der schlesischen Industrie, in der Form überhaupt nicht ankam, weil die Abhängigkeit der ländlicheren Regionen von der Schwankung der industriellen und finanzwirtschaftlichen Konjunkturzyklen eher gering war und sich der wirtschftliche Niedergang eher aus der sukzessiven Erweiterung des Marktes herleitete.
Insofern mag man mitunter auch die Erfolge der DNVP lange vor Beginn der Weltwirtschaftskrise im Osten, als Indikator für wirtschaftliche Probleme betrachten, die sich ggf. durch den Zusammenbruch des Kreditmarktes noch ein Stück weiter verschärften, im Kern aber vorhanden waren.
Schaut man sich neben dem sich Zeitgleich mit dem Aufstieg der NSDAP vollziehenden Bedeutungsverlust der DNVP, die Sache dahingehend an, dass die NSDAP weitgehend die Positionen der DNVP im Osten übernahm, und zwar mutmaßlich deshalb, weil sie ähnliche Inhalte im Bezug auf Wirtschaft bot, durch ihren Charakter als schichtübergreifende Partei und rassistisch ausgestalteten Sozialversprechungen aber weit integrativeren Charakter hatte, als die DNVP, erscheit der Wahlerfolg der NSDAP von 1930 gar nicht mehr so erdrutschartig.
Die NSDAP gewann im Vergleich zur vorausgegangenen Wahl 15,7 % hinzu.
Zeitgleich verlor aber die DNVP 7,3% und die DVP 4,2% im Vergleich zu den vorrangegangenen Wahlen von 1928.
Insofern sieht der Wahlerfolg der NSDAP da zwar auf den ersten Blick gewaltig aus, verdeckt aber, dass es sich dabei weitgehend um radikalisierung von übergelaufenen Wählern der DVP und der DNVP gehandelt haben dürfte, während das rechte zuweilen demokratieskeptische Parteienspekturm an und für sich, aber nur um die 4% an Wählerstimmen dazu gewann, wenn man die Gewinne der NSDAP gegen die Verluste von DVP und DNVP aufrechnet.
Was also den Zeitraum vom Beginn der Krise bis zur Wahl von 1930 betrifft, ist zu verzeichnen, dass, die NSDAP der DNVP ihre Positionen abjagte, was sich auch darin niederschlägt, dass die NSDAP anno 1930 den Wahlkreis Ostpreußen gewinnen konnte und die DNVP Pommern hier zwar noch behaupten konnte, aber nur noch mit 24,8% Im Gegensatz zu 41,6% in 1928 und ehemals stolzen 49,1% in 1924.
Die Wahlen vom Juli 1932 waren dann in der Tat erdrutschaftig, weil das rezidiert rechte Parteienspektrum selbst abzüglich der weiteren Verluste von DVP, DNVP und CSVD dabei 13,2% dazu gewann.
Dabei sei allerdings vermerkt, das von den größeren etablierten Parteien das Zentrum 0,9%, die KPD 1,2% dazu gewann die SPD 2,9% und die DStP 2,8% einbüßte.
Der Stimmverlust der etablierten größeren Parteien, die nicht zum dezidiert rechten Spektrum gehörten, belief sich damit in Summa auf 3,6%.
Dabei wird vor allem eines deutlich:
Der Erdrutschartige Wahlsieg der NSDAP im Sommer 1932 fällt, was die Verlustseite angeht, vor allem mit einer veritablen Krise der Klein- und Regionalparteien zusammen, die bei dieser Wahl an die 9% Punkte einbüßten.
Insofern, lässt sich für 1930 weder ein erdrutschartiger Zugewinn der rechten Parteien insgesamt im quantitativen Sinne konstatieren, noch sich der Erdrutschsieg der NSDAP vom Sommer 1932 mit einem dezidierten Vertrauensverlust der etablierten größeren Parteien erklären.
Die SPD verlor bei den Wahlen 1930 5,8% und bei den Wahlen im Sommer 1932 nochmal 2,9%. Das Zentrum gewann 1932 0,9% bei vormalig 0,3% Verlust.
Die beiden wichtigsten demokratischen Parteien mit dem Potential tatsächlich Regierungen anzuführen, verloren von vor dem Beginn der Krise bis zum Höhepunt der Popularität der NSDAP unter den Bedingungen freier Wahlen
etwa 8,2 % an Wählerzustimmung.
Wenn man sich auf die Periode der unmittelbaren Rezession und der zusammenbruchsartigen Erscheinungen nach dem Börsencrash, also auf die Periode bis zu den Wahlen vom September 1930 bezieht, verloren beide Parteien in disem Zeitraum 6,1%.
Insgesamt wird man an Hand der Konsolidierungder Zentrumspartei auch unter den Bedingungen von 1932 und dem deutlich geringeren Verlust der SPD in der Periode von 1930-1932 im Vergleich zur Periode davor, feststellen können, dass was sich im Hinblick auf Vertrauensverlust betreffs der beiden großen demokratischen Parteien abspielte en gros bereits bei den Wahlen 1930 gelaufen war.
Zwar verloren beide Parteien auch Ende 1932 nochmal leicht, aber nicht im überproportionalen signifikanten Ausmaß.
Der einzige außerordentliche Verlust dieser beiden Parteien lag bei der SPD im Zeitraum von 1928-1930 und mag neben der Depression auch an einer Umorientierung von Wechselwählern liegen, die SPD hatte zuvor im 1928 im Vergleich zur vorrangegangenen Wahl von 1924 3,8% dazu gewonnen.
Die SPD erreichte, wenn man es über einen längeren Zeitraum betrachten will, bei den letzten Wahlen in 1924 26% der Stimmen, bei den Wahlen, selbst im Sommer 1932 kam sie noch auf 21,6%
Wenn man das Zwischenhoch von 1928 mal ausblendet hatte die SPD bei den Wahlen von 1930 gegenüber dem Stand von 1924 lediglich 1,5% an Stimmanteil verloren und im Sommer 1932 4,4%
Das ist dann natürlich schon deutlich merkbar, aber ein katastrophenhafter Einbruch sieht anders aus.
Das Zentrum entwickelte sich im gleichen zeitraum von 17,3 auf 15,7%, war also insgesamt auf niedrigerem Niveau etwas stabiler.
Wer massiv abstürzte, waren zum einen die Regional- und Kleinparteien, so wie Parteien mit teilweise oder vollständiger liberaler Ausrichtung.
Insofern würde ich im Hinblick auf die Zugewinne der NSDAP von 1932 eine ideologische Krise des wirtschaftlichen Liberalismus und eine Krise individueller Sonderinteressern in Form der Kleinparteien konstatieren.
Letzterem mag die NSDAP insofern entegegen gekommen sein, dass sie im Gegensatz zur DNVP keine dezidiert preußisch-protestantische Veranstaltung war und somit in Landesteilen, die aus historischen gründen eher preußen-skeptisch waren, etwa in den hannoveranischen Wahlkreisen konservative und rechte Wählergruppen binden konnte, an die die DNVP mit ihrem preußisch-wilhelminischen Klientelismus nicht herankommen konnte.