Gibt es einen Zusammenhang zw. Christentum und Demokratie?

Wie so oft, @Shinigami, begreifst du den Wesensgehalt des zitierten Artikels und meines Beitrags nicht. Und nicht nur das: Gefragt wurde nach einer Erklärung für das Auseinanderdriften der Kulturen in den letzten 30 Jahren – und dazu hast du nur Nichtssagendes gesagt, was du aber gleichwohl für wesentlich plausiblere Erklärung als meine siehst; das ist hier als Zitat zu sehen:
Oder habt ihr eine andere Erklärung dafür?
Die andere und wesentlich plausiblere Erklärung ist, dass

- Wir a) in Teilen überhaupt nicht wissen, was die Bevölkerung dort von einzelnen Wertvorstellungen hält, weil man in Diktaturen nunmal schwer authentische Meinungsbilder sammeln kann.

- b) Die Wertvorstellungen Westeuropas auch die meisten Staatschefs dort eigentlich nicht interessieren, außer dann, wenn diese Wertvorstellungen mit ihren Methoden kollidieren und sich Akteure aus dem Westen bemüßigt sehen den Herren zu erzählen, wie sie zu regieren haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Dion deine Interpretation der im Artikel referierten Auffälligkeiten ist: von Religionsbossen beherrschte Länder reagieren auf den "Westen" zunehmend mit Ablehnung. Stichhaltige Nachweise für diese Deutung lässt du aus, stattdessen fragst du, ob man andere Erklärungsmodelle hat. @Shinigami hat dir (s)eines mitgeteilt, du reagierst aggressiv darauf.

Was soll man als Dritter dazu sagen? Ich biete zwei alternative Deutungen:
1. (auf Knien, auf dem Bauche rutschend, in tiefster Demut) Alles alles alles ist und wird sein, wie du sagst, oh großer Dion! Amen. Awoman. Adivers.
2. alles läuft pünktlich nach dem Masterplan der Götter, leider sind die so diskret, dass wir ihnen nicht in die Karten schauen können...

Tja, mehr gibt's von mir nicht dazu, solange unnötiges Zankgezappel die mögliche Diskussion vergiftet.
 
Wie so oft, @Shinigami, begreifst du den Wesensgehalt des zitierten Artikels und meines Beitrags nicht.
Wie so oft, lieber @Dion dürfte es in der Tat den Meisten schwerfallen, deinen Einlassungen irgendeinen Wesensgehalt zu entnehmen.

Du präsentierst einen Satz aus einem Atikel, oder der sich auf einen Artikel bezieht, verkaufst den unhinterfragt als Tatsache und faselst dann irgendein zusammenhangloses Zeug über Religion, mit offensichtlich wirlichkeitsfremdn Implikationen (z.B. Einfluss der orthodoxen Kirche auf die russische Politik) und mutest deinen Mitusern dann zu, da irgendwie Stellung zu zu nehmen.

Die erste Frage, die an den Artikel zu stellen wäre, wäre erstmal die nach den Erhebungsmethoden.

Der von dir verlinkte Artikel bespricht eine Studie, im Rahmen derer gesammelte Meinungen aus Australien und Pakistan miteinander verglichen werden.
Das Referieren des Ergebnisses ohne Darlegung der Untersuchungsmethoden ist offensichtlich Schwachsinn.

Australien ist eine Demokratie und jedenfalls ein ordentlicher Rechtsstaat, in dem jeder offen seine Meinung sagen kann, ohne Repressionen zu fürchten.
Pakistan wird, etwa im Demokratiedex (the Economist) als autoritäres Regime geführt. Zwar nicht so schlimm wie China oder Russland, aber weit von Rechtssicherheit und garantierten Möglichkeiten weitgehhend freier Meinungsäußerung entfernt.
Es ist allgemein bekannnt, dass die Kontrolle Pakistans über seine westlichen Grenzgebiete prekär ist und dass sich in der jüngeren Vergangenheit des Landes die Taliban dort festsetzen konnten, dass sich in der Region von nicht allzu langer Zeit noch ein Osama Bin Laden dort weitgehend ungestört aufhalten konnte.

Offen gesagt, würde ich in einem Land leben, in dem ein autoritäres Regime mit prekärer Machtbasis herrscht, gegenüber dem ich keine Rechtssicherheit habe und dass mich morgen einkassieren kann und in dessen nicht kontrollierbaren Grenzgebieten sich bewaffnete Banden herum treiben, die sogar noch schlimmer sind, und möglicherweise in Zukunft die Macht übernehmen könnten, ich würde mich hüten irgendwas zu bekunden von dem ich der Meinung bin, dass das gegen die gesellschaftlichen Konventionen geht und dass mich als Abweichler kennzeichnet.
Abweichlertum in einem Land, dass sich teilweise in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen befindet, wird nämlich verdammt schnell als Verrat ausgelegt.

Wenn man unkommentiert ohne etwas zu dieser Problematik zu sagen einfach irgendwelche Umfragewerte nebeneinannder stellt, ohne dass der Leser etwas darüber erfährt, welche Maßnahmen getroffen wurden um die Befragten vor etwaigen negativen Folgen ihrer Aussagen für sie zu schützen, hat das keinen Wert.

An dieser Stelle haben wir was Pakistan betrifft, noch nicht über den Dauerkonflikt mit Indien gesprochen und darüber, wie in Pakistan, die Praktiken des zunehmend autoritäre und antimuslimischen Modi-Regimes, dass sich ja nach außen hin weiterhin als Demokratie verkauft, rezipiert werden.
Müsste man sich ggf. dann auch drüber unterhalten. Das einfach mal als Beispiel.

Die Behauptung einer solchen Auseinanderentwicklung unhinterfragt einfach mal als Tatsache zu übernehmen, bedeutet möglicherweise unhinterfragt Propagandanarrative als Tatsachen zu übernehmen.
Darauf dann die Frage zu montieren, warum es sich damit denn so verhalte, ist Unsinn, es ist ja nicht einmal ausreichend dargelegt, dass dem tatsächlich so wäre.


Ich habe im vorangegangennen Beitrag bereits darauf hingewiesen, dass es erfahrungsgemäß sehr schwierig bis unmöglich ist, authentische Stimmungsbilder in Ländern mit autoritären Regimes zu gewinnen, in denen sich die Befragten möglicherweise aus Selbstschutzerwägungen nicht so äußern, wie sie das unter anderen Umständen möglicherweise tun würden.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Dion deine Interpretation der im Artikel referierten Auffälligkeiten ist: von Religionsbossen beherrschte Länder reagieren auf den "Westen" zunehmend mit Ablehnung. Stichhaltige Nachweise für diese Deutung lässt du aus, stattdessen fragst du, ob man andere Erklärungsmodelle hat.
Ich habe ein paar Länder genannt, in denen Religion größere Rolle als im aufgeklärten Westen spielt: Polen, Russland, Lateinamerika, Iran, Pakistan, Afghanistan, Ägypten und Saudi-Arabien. Aber ich könnte auch Ungarn, Slowakei und Serbien nennen, deren Führer alle rechtsgerichtet sind und sich, o Wunder, auch alle auf die Religion stützen, deren Führer wiederum sich in der Abwehr der Freiheiten, wie sie in westlichen Staaten verwirklich sind, einig mit den politischen Führern zeigen.

Ein weiteres Beispiel ist Israel, zweifellos eine Demokratie, wo die Radikalreligiösen zunehmend Einfluss gewonnen haben und die Politik entsprechend mitbestimmen. Natürlich nach rechts.

Auch Trump spielt die religiöse Karte – es sind vor allem Evangelikale, die ihn stützen. Und Evangelikale sind die christliche Entsprechung zum radikalen Islam: Die einen wollen, dass nach den Gesetzen der Bibel regiert wird, und die anderen nach den im Koran genannten. Und da ist natürlich kein Platz für freies Denken.

Ich habe im vorangegangennen Beitrag bereits darauf hingewiesen, dass es erfahrungsgemäß sehr schwierig bis unmöglich ist, authentische Stimmungsbilder in Ländern mit autoritären Regimes zu gewinnen, in denen sich die Befragten möglicherweise aus Selbstschutzerwägungen nicht so äußern, wie sie das unter anderen Umständen möglicherweise tun würden.
Was redest du da? Ungarns und Russlands Bürger haben sich z.B. in ursprünglich demokratischen Wahlen Führer gewählt, die sie dann ihrer Rechte beraubten und immer noch berauben. Und beide Male standen die jeweiligen Kirchen Paten, in dem sie Empfehlungen aussprachen, wie in 1950/60er Jahren in Bayern, als die Priester von der Kanzel verkündeten, ein Christ hat selbstverständlich eine Partei zu wählen, die ein C in ihren Namen hat.

Im Übrigen gibt es in dem von mir verlinkten Artikel auch einen Link auf die Studie, die den Fakt des Auseinanderdriftens der Kulturen innerhalb der letzten 30 Jahren festgestellt hat. Dafür muss es Gründe geben. Ich habe einen genannt, du, @Shinigami, keinen, obwohl danach gefragt. Auch @dekumatland hält sich in diesem Punkt zurück bzw. rettet sich in Sarkasmus.
 
Was redest du da?
Ich dachte eigentlich, das das wirklich jedem verständlich sein müsste.

Wie gedenkst du in einer stark autoritären Diktatur an ein authentisches Meinungsbild zu kommen?

Der aktuelle Krieg in Russland sollte doch eigentlich mehr als deutlich zeigen, dass es schlicht nicht möglich ist die Haltung der russischen Bevölkerung zu diversen Fragen festzustellen, weil entweder die Arbeit der entsprechenden Institute, die solche Umfragen durchführen regierungsseitig massiv behindert wird, oder weil die Befragten möglicherweise Repression im eigenen Land erwarten müssen, wenn bekannt wird, dass sie die falsche Meinung äußern (ich erinnere daran, dass Menschen für das bloße Zeigen leerer Zettel zu Strafen verdonnert wurden und ähnliche Kapriolen).
Unter diesen Umständen, kann man Umfrage-Ergebnisse in mehr oder weniger diktatorisch regieten Ländern nicht als verzerrungsfreie Tatsachen annehmen.
Was man aus diesen Ländern hat, dürfte weitgehend wertlos sein, weil nicht zu verifizieren ist, ob diejenigen, die sich äußern, äußern was sie tatsächlich denken oder äußern was sie vor Repression schützt.

In der Studie wurden unter anderem Ergebnisse aus folgenden Ländern verwendet:

- Belarus
- Russland
- Venezuela
- Ägypten
- Libyen
- Pakistan
- Azerbaijan
- Iraq
- Armenien
- China

Aus. Alles Länder, die in Sachen Demokratie und Meinungsfreiheit in der Regel eher schlechte Zeugnisse bekommen haben in jüngerer Vergangenheit und bei denen ich nicht bereit bin zusammengetragene Ergebnisse als authentisches Bild zu betrachten, so lange mir niemand erklärt hat, wie man methodisch vorgegangen ist, um zu verhindern, dass im jeweiligen politischen Klima getätigte Äußerungen in diesen Fragen, aus Angst vor Repression bedingte Schutzbehauptungen sind, die das Ergebnis verzerren.

Das hätte ich gerne für jedes einzelne Land plausibel dargelegt.
Die Methodik der Studie weist das nicht in hinreichendem Maße aus und so lange das nicht der Fall ist, ist das Bild, was die Studie abgibt nicht viel Wert, da erhebliche Zweifel an der Authentizität angemeldet werden müssen, wenn man das vernünftig betreibt.

Ungarns und Russlands Bürger haben sich z.B. in ursprünglich demokratischen Wahlen Führer gewählt, die sie dann ihrer Rechte beraubten und immer noch berauben. Und beide Male standen die jeweiligen Kirchen Paten, in dem sie Empfehlungen aussprachen, wie in 1950/60er Jahren in Bayern, als die Priester von der Kanzel verkündeten, ein Christ hat selbstverständlich eine Partei zu wählen, die ein C in ihren Namen hat.
Nur hast du natürlich mal wieder vergessen zu erwähnen, dass die Gegner dieser C-Parteien damals in der Regel die K-Parteien und ihre nachfolger waren.
Das die Kirchen kein Interesse daran hatten, denen, die sie fast ein halbes Jahrhundert lang schikaniert hatten, erneut die Macht zu übertragen und dann eher für die Gegenseite warben, dass nimmt nicht wunder.
Wird von dir aber natürlich vollkommen ausgeblendet.

Und den Nachweis welchen Impact Wahlempfehlungen von religiösen Funktionsträgern tatsächlich hatten, den bist du nach wie vor schuldig geblieben.
Du widerholst diese Behauptung gebetsmühlenartig, dadurch wird sie aber nicht überzeugender.
Die Wahlen in den 90er Jahren in den Osteuropäischen Staaten waren in der Regel Plebiszite für oder gegen den Sozialismus in irgendeiner Form, keine Plebiszite für religiösen Hokus-Pokus, Gottesstaaten oder dergleichen.


m Übrigen gibt es in dem von mir verlinkten Artikel auch einen Link auf die Studie,
Das ist mir schon klar, aber du selbst scheinst die Studie irgendwie nicht gelesen und überdacht zu haben, sonst wäre dir ja die Problematik, auf die ich oben hingwiesen habe aufgefallen.
Oder wird die Problematik ignoriert, weil sie das vorgefasste Bild stören würde, dass du gerne bestätigt haben möchtest?

Dafür muss es Gründe geben.
Nein, das müsste erstmal plausibel belegt werden.
Was eine Studie, die beansprucht authentische Meinungsbilder aus dikatorischen Regimes zu liefern ohne die Methodik detailliert offen zu legen in dieser Form nicht kann.
Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass hier Schutzbehauptungen zur Abwehr von Repression eine Rolle spielen, taugt das nichts.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Dion

Das Christentum prägt meiner Überzeugung nach weiterhin die Wertvorstellungen, die den Gesetzen der westlichen Welt zugrunde liegen. Dazu braucht es keine Kirchen, sondern bloß die kulturelle Prägung, die über Jahrhunderte fortwirkt. Der Machtverlust der Kirchen führt allenfalls dazu, dass solche Gesetze geändert werden, die Gegenstände regeln, betreffs derer sich die propagierten Werte der Religion und die Werte der Mehrheitsbevölkerung zu weit voneinander entfernt haben, siehe z.B. Abtreibung, Ehebruch, Ehescheidung usw.

Diese sind aber nicht die einzigen Gesetze, die judeo-christliche Werte widerspiegeln.

Der Gottesbezug der Präambel des Grundgesetzes etwa kommt nicht von ungefähr. Die Protokolle des parlamentarischen Rates zeigen, dass die Grundrechte und die Staatsziele der Bundesrepublik Deutschland explizit als Ausfluss christlicher Werte verstanden wurden, und sich theologisch auch dergestalt herleiten lassen. Ich weiß, dass Du das nicht gerne gelten lassen willst, aber Kirche und Religion sind nicht identisch. Und auch eine komplett atheistische Bevölkerung könnte durchaus christliche Werte leben, ohne sie als solche zu bezeichnen oder zu identifizieren.

Nur ein Beispiel: In allen christlich geprägten Ländern – und keineswegs in allen Ländern, die von christlichen Staaten kolonialisiert wurden –, hält das Gesetz dazu an, in Not Geratenen Hilfe zu leisten, indem es entweder unterlassene Hilfeleistung bestraft, oder zumindest jene für straflos erklärt, die in Not Geratenen helfen und dabei irgendeinen Schaden anrichten. Kein islamischer Staat mit Ausnahme Bosniens kennt ein solches Gesetz.

Was den Konflikt zwischen "dem Westen" und "dem globalen Süden" anlangt – Konstrukte, die ich hier nur verwende, weil jeder weiß, was gemeint ist, denn eigentlich sind sie völlig untauglich, was man schon daran sieht, dass sich Russland als Teil des globalen Südens begreift –, wird man viele Gründe für das "Auseinanderleben" der internationalen Gemeinschaft finden.

Beginnen könnte man mit dem sicherlich vorhandenem Revanchismus. Die Sozialisten und/oder Nationalisten des globalen Südens finden die Erklärung für die wirtschaftliche und politische Instabilität ihrer Heimatländer fast zwangsläufig in der Vergangenheit. Meistens haben sie damit auch Recht, zumindest teilweise (aber durchaus nicht immer).

Ein zweites in diesem Zusammenhang zu erwähnendes Phänomen wären bspw. die Umwälzungen in Westafrika in den letzten fünf Jahren.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und bis zur Etablierung Chinas als "Alternative" zu USA und EU mussten sich die Regierungen des globalen Südens mit dem Westen gutstellen, um Hilfsgelder einzustreichen und wirtschaftliche Kontakte anzubahnen. Man musste wenigstens so tun, als achtete man die Menschenrechte, empfand dies aber als Gängelung, derer man sich mit Moskaus und Pekings Hilfe bereitwillig entzog. Mittlerweile sind viele Regierungen dazu übergegangen, ihr eigenes Versagen bzw. die grassierende Korruption als unweigerliche Folge des kolonialen Erbes bzw. neoimperialistischer Bestrebungen des Auslands darzustellen, um so den Volkszorn von sich abzulenken.

Und natürlich gibt es im Westen eine an Einfluss gewinnende intellektuelle Strömung (die man wohl gefahrlos dem linken bis linksradikalen Spektrum zuordnen kann), die den globalen Süden in seiner Auffassung bestärkt. Den Postkolonialisten zufolge ist unser Wohlstand nicht das Produkt von Standortfaktoren wie Rechtssicherheit, Demokratie und politischer Stabilität, sondern von Unterdrückung und Ausbeutung.

Sodann hat sich der Westen moralisch angreifbar gemacht, indem er seine Werte nicht immer lebt. Ich würde jetzt nicht unbedingt auf irgendwelche CIA-unterstützten Putschversuche im Lateinamerika der 1950er blicken, die erklären und rechtfertigen nichts; doch hat z.B. der Umgang der USA mit Terrorverdächtigen nach 9/11 zu einem Vertrauensverlust geführt. Argumentativ gesehen, handelt es sich dabei oft um schnöde Whataboutismen, aber das kennen wir ja gerade von der Kirche: Keinen Sünder finden die Menschen abstoßender als einen sündigen Prediger.

Migrationserfahrungen werden ebenfalls eine Rolle spielen. Fragt man die politische Rechte im Westen, so sind nicht alle Migranten von dem Wunsch beseelt, an unserem Wohlstand produktiv teilzuhaben und unseren freiheitlichen Lebensstil zu genießen, sondern beides erzeugt auch Neid und Minderwertigkeitsgefühle. Fragt man die politische Linke, werden Migranten diskriminiert und tragen diese negative Erfahrung entweder durch Remigration oder familiäre Kontakte in ihr Heimatland zurück. Vermutlich haben beide Ansichten einen wahren Kern.

Last but not least wäre zu fragen, ob die These, dass im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung auch eine Angleichung der Werte stattfinden würde, nicht von Anfang an falsch war. Persönlich würde ich sie dem fehlgeleiteten Freudentaumel nach dem Ende des Kalten Krieges zuordnen (Du weißt schon, Fukuyamas 'Ende der Geschichte'). Für mich ist jedenfalls nicht erwiesen, dass unsere freiheitliche und demokratische Grundordnung überhaupt kompatibel ist zu bspw. den konservativen, kollektivistischen Gesellschaften Zentralasiens.
 
Nur ein Beispiel: In allen christlich geprägten Ländern – und keineswegs in allen Ländern, die von christlichen Staaten kolonialisiert wurden –, hält das Gesetz dazu an, in Not Geratenen Hilfe zu leisten, indem es entweder unterlassene Hilfeleistung bestraft, oder zumindest jene für straflos erklärt, die in Not Geratenen helfen und dabei irgendeinen Schaden anrichten. Kein islamischer Staat mit Ausnahme Bosniens kennt ein solches Gesetz.

Unterlassene Hilfeleistung gibt es auch in der Türkei und Tunesien, und die "Good Samaritan Laws" in vielen Ländern des angelsächsischen Rechtsraums sind, historisch betrachtet, nagelneu.

Sodann hat sich der Westen moralisch angreifbar gemacht, indem er seine Werte nicht immer lebt. Ich würde jetzt nicht unbedingt auf irgendwelche CIA-unterstützten Putschversuche im Lateinamerika der 1950er blicken, die erklären und rechtfertigen nichts; doch hat z.B. der Umgang der USA mit Terrorverdächtigen nach 9/11 zu einem Vertrauensverlust geführt.

Oder völkerrechtswidrige Kriege, oder die Unterstützung von Apartheid ua Formen der Unterdückung, oder die Annektion fremden Gebiets, oder oder oder. Der Hinweis, dass Rechtsnormen nur bei anderen eingeklagt werden, man sich selbst aber meilenweit über diesen schwebend betrachtet, ist kein Whataboutism, sondern der Hinweis auf die Grundlage jeden Rechts (ius respicit aequitatem), dass "der Westen" in ungezählten Fällen ignoriert und gebrochen hat.
 
@Dion

Keinen Sünder finden die Menschen abstoßender als einen sündigen Prediger.
Das kommt auf die Sünden an. Ich denke, dass die meisten Menschen durchaus Verständnis, ja vielleicht sogar Sympathie aufbringen können für Priester, die mit dem Zölibat ein Problem haben, die sich in ihre Haushälterin verliebt haben.

Sie können auch Verständnis oder Sympathie aufbringen für Geistliche, die nun einmal homosexuell sind.

Die meisten Leute würden über einen Bischof, der in einem Bordell einen Herzkasper erleidet nicht den Stab brechen und ihm einen angenehmen Tod gönnen.
Sympathie wird man für einen "Protz-Bischöfe" schon nicht mehr aufbringen können, aber selbst goldene Wasserhähne und ein Renoir auf dem stillen Örtchen- das wäre noch irgendwie unter der Rubrik "Menschliches, Allzumenschliches" einzuordnen.




Auch Geistliche sind Menschen, und Geistliche von Friar Tuck bis Don Camillo Tarocci werden ja erst dadurch sympathisch und menschlich, dass sie es in Krisen mit den Regeln nicht so genau nehmen, dass sie kleine menschliche Schwächen haben.

Diese menschlichen Schwächen sieht man ihnen nach, ja man kann ihnen auch die ein oder andere schwere Sünde verzeihen.


Wo bei den meisten Menschen jedes Verständnis und jede Sympathie endet- und das durchaus zu Recht, das ist in Zusammenhang mit Missbrauch und Kindesmisshandlung.

Es gibt nichts, womit sich so etwas rechtfertigen lässt
 
Unterlassene Hilfeleistung gibt es auch in der Türkei und Tunesien, und die "Good Samaritan Laws" in vielen Ländern des angelsächsischen Rechtsraums sind, historisch betrachtet, nagelneu.
Nicht laut dem Kindhäuser-Kommentar. Wann wurden diese Gesetze in der Türkei und in Tunesien eingeführt? Und was verstehst Du unter "nagelneu"?
oder die Unterstützung von Apartheid
Ich wittere die Gelegenheit, sich wunderbar zu verzetteln. Welche westliche Regierung hat denn offiziell die Apartheid unterstützt? Bzw. in welchem Zeitraum? Denn es macht doch einen Unterschied, ob wir über 1990 reden oder 1950.
oder die Annektion fremden Gebiets
Welcher westliche Staat hat seit 1945 sich unrechtmäßig fremdes Territorium einverleibt?
Der Hinweis, dass Rechtsnormen nur bei anderen eingeklagt werden, man sich selbst aber meilenweit über diesen schwebend betrachtet, ist kein Whataboutism, sondern der Hinweis auf die Grundlage jeden Rechts (ius respicit aequitatem), dass "der Westen" in ungezählten Fällen ignoriert und gebrochen hat.
Mir scheint, dass Du angesichts der Schärfe und Pauschalisierungen in dieser Aussage selbst nicht darauf beharren wirst, Du würdest Dich hier objektiv und ohne Überspitzung äußern. Hat es überhaupt einen Sinn, Formulierungen wie "in ungezählten Fällen" auf den Prüfstand zu stellen?

Daher die direkte Frage: Willst Du ernsthaft behaupten, dass westliche Staaten sich häufiger Rechtsverletzungen gegen andere Staaten oder ihre eigenen Bürger schuldig machen, als die Staaten des sogenannten globalen Südens? Dass sie wirklich "nur" (!) bei anderen Maßstäbe einfordern, die sie selbst niemals einhalten?

Und nein, es ist und bleibt ein Whataboutism, wenn verglichen wird, was vielleicht emotional vergleichbar ist, aber faktisch dennoch verschieden.

Ich meine mich zu entsinnen, dass wir beide diese Diskussion bereits gehabt hätten, deswegen greife ich sie nahtlos wieder auf, die Stoßrichtung Deines Kommentars berücksichtigend: Wer z.B. den Irak-Krieg mit dem Ukraine-Krieg vergleicht, der setzt Ungleiches gleich und muss sich fragen lassen, was er damit bezweckt.

Beiden Fällen gleich ist allenfalls der Bruch internationalen Rechts (übrigens gibt es eine medial kaum diskutierte abweichende Meinung in der Lehre zur Frage, was die Resolution 1441 gestattete und was nicht, aber darüber will ich mich jetzt nicht zerfasern).

Dessen ungeachtet bleibt bestehen:

Der Irak wurde von einem Völkermörder, Tyrannen und Aggressor regiert, die Ukraine von einer demokratisch gewählten Regierung, die weder Genozide noch Aggressionen verübt hatte.

Der Angriff der USA auf den Irak erfolgte nicht in Annexionsabsicht; der Angriff Russlands auf die Ukraine jedoch schon.

Der Angriff der USA auf den Irak ging nicht mit dem erklärten Ziel einher, den Irak kulturell zu assimilieren, seine Kultur zu zerstören und seine Intelligenz zu vernichten; der Angriff Russlands auf die Ukraine hat erklärtermaßen das Ziel, die ukrainische Kultur und Intelligenz zu vernichten und das Volk zu russifizieren.

Der Angriff der USA auf den Irak ging nicht mit systematischen Verletzungen der Haager Landkriegsordnung einher, sowohl spontanen als auch angeordneten; der Angriff Russlands auf die Ukraine jedoch schon.

Wen sich Russland also auf den Irakkrieg als Rechtfertigung beruft, ist dies sachlich falsch und intellektuell unaufrichtig. Ganz abgesehen davon, dass Unrecht nicht Unrecht rechtfertigt, ist der Grad des Unrechts offenkundig nicht derselbe.

Diese Betrachtung mag stellvertretend für, wie ich behaupte, die große Mehrzahl der fraglichen Fälle stehen.

Machen solche Verstöße den Westen moralisch angreifbar? Freilich. Das ändert aber nichts daran, dass man sehr wohl fragen darf, ob die Empörung über diese Verstöße aufrichtig ist, oder bloß eigennützig.

Deswegen brachte ich das Beispiel mit dem Priester. Dass der Mensch mitunter dazu neigt, Übertretungen aufgrund der Charakteristika des Übertretenden für schwerer zu halten die Übertretungen Dritter, heißt nicht, dass dieser Eindruck zutreffend ist. Emotional verständlich mag er sein, das macht ihn aber lange noch nicht berechtigt.
 
Nicht laut dem Kindhäuser-Kommentar. Wann wurden diese Gesetze in der Türkei und in Tunesien eingeführt?


Und was verstehst Du unter "nagelneu"?

In den USA mWn nach dem 2. Wk., dran rumgedoktert wurde noch viel länger (in den 1970ern und 1990ern gabs da nochmal Gesetzesinitiativen, wenn ich das richtig erinnere), und völlig sicher kann man sich heut noch nicht sein, wenn man den Aussagen von US-Bürgern glauben darf.

Ich wittere die Gelegenheit, sich wunderbar zu verzetteln. Welche westliche Regierung hat denn offiziell die Apartheid unterstützt? Bzw. in welchem Zeitraum? Denn es macht doch einen Unterschied, ob wir über 1990 reden oder 1950.

Welcher nicht? Welcher hat den ANC oder andere Anti-Apartheid-Organisationen unterstützt? Der ANC galt in manchen westlichen Ländern noch als Terrororganisation, nachdem Mandela schon Präsident war... Und über Israel (dem amnsety international, Human Rights Watch und B'Tselem Apartheid vorwerfen) breiten wir lieber auch mal den mantel des Schweigens...

Welcher westliche Staat hat seit 1945 sich unrechtmäßig fremdes Territorium einverleibt?

Israel. Wird von anderen (auch westlichen) Staaten nicht anerkannt, aber mehr als Lippenbekenntnisse kommen da auch nicht. Und zu einer verbalen Verurteilung von Rechtsverletzungen lassen sich auch Staaten wie Russland oder China herab...

Willst Du ernsthaft behaupten, dass westliche Staaten sich häufiger Rechtsverletzungen gegen andere Staaten oder ihre eigenen Bürger schuldig machen, als die Staaten des sogenannten globalen Südens?

Gegen andere Staaten? Welches Land kommt da denn seit dem 2. Wk. an die USA ran?

Wer z.B. den Irak-Krieg mit dem Ukraine-Krieg vergleicht, der setzt Ungleiches gleich und muss sich fragen lassen, was er damit bezweckt.

Wer so argumentiert, will sich selbst rein waschen, und Argumente nicht gelten lassen.

BTW, wer vergleicht setzt nicht gleich.

Hab keine Zeit mehr, später vielleicht mehr. Oder wir lassen das, ist ohnehin Tagespolitik und keine historische Betrachtung. Bzw Tagespropaganda...
 
Deswegen brachte ich das Beispiel mit dem Priester. Dass der Mensch mitunter dazu neigt, Übertretungen aufgrund der Charakteristika des Übertretenden für schwerer zu halten die Übertretungen Dritter, heißt nicht, dass dieser Eindruck zutreffend ist. Emotional verständlich mag er sein, das macht ihn aber lange noch nicht berechtigt.
Was du schreibst ist größtenteils richtig, aber das Beispiel mit dem Priester ist unpassend.

Die Rolle eines Priesters ist es zu predigen. Was aber die westliche Staatengemeinschaft regelmäßig tut, ist sich nebem dem Predigen auch gleich noch die Rolle des Anklägers, des Richters und des Polizisten in Personalunion anzumaßen. (Ich schreibe bewusst "anmaßen" nicht, weil ich mit dieser Rolle per se nicht einverstanden wäre, in bestimmten Fällen war das in der Vergangenheit durchaus richtig, sondern ich schreibe "anmaßen", weil sie niemand dazu legitimiert hat).

Wenn ein Prediger sich nicht an das hält, was er so erzählt, wirft das kein gutes Licht auf ihn, ist allerdings in der Tat nicht schwerwiegender, als wenn andere ebenfalls sündigen, schließlich ist ja die Teilnahme an der Predigt und das Befolgen dessen, was der Prediger so erzählt, nicht verbindlich, also kann es einem im Grunde genommen egal sein.
Wenn aber Richter und Polizisten in einiger Regelmäßigkeit Unrecht begehen oder systematisch die Rechtsbrüche anderer decken, dann haben wir, wie du zugeben wirst ein Problem, dass nicht dadurch besser wird, dass das Unrecht besagter Richter oder Polizisten inhaltlich weniger schwer wiegt, als dasjenige bestimmter Mafia-Kartelle mit denen sie im Clinch liegen.


An der Stelle müsste man sich ehrlich machen:

Wenn die westlichen Staaten Strafsanktionen verhängen oder militärisches Eingreifen irgendwo erwägen, gehen sie über die Rolle eines Predigers durchaus hinaus und nehmen, Positionen ein, die sonst Funktionen der Justiz und der Sicherheitsorgane sind.
Wenn man diese Rolle einnimmt (und gelegentlich erscheint das durchaus angebracht, wenn es niemand anderes und keine andere funktionierende Institution vorhanden ist, die das könnte), müsste man ihr allerdings auch gerecht werden.

Auf nationaler Ebene würde man Richter und Polizisten, die selbst einigermaßen schweres Unrecht begehen, sofort aus dem Verkehr ziehen und dass aus sehr guten Gründen.
Dieser Grundsatz müsste dann aber auch international gelten.

Du hast sicher Recht damit, dass ein Prediger, der Verbrechen begeht weniger problematisch ist, als ein Nichtprediger, der deutlich schlimmere Taten begeht.
Ob dies aber auch von einem kriminellen Richter oder Polizisten gegenüber einem schlimmeren Verbrecher gilt ist eine andere Frage, denn dann müsste man sich die Frage stellen, ob es schwerer wiegt wenn jemand von außerhalb des Systems schlimme Verbrechen begeht, oder aber wenn dass System selbst Verbrechen und Unrecht produziert und damit das Ansehen der Institutionen, die das Verbrechen bekämpfen sollten, schwer bschädigt?
Wirkt die Tat von außerhalb des Systems stehenden Verbrechern schlimmer oder das Betragen des Systems selbst, dass dazu beitragen kann, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Rechtsordnung verliert, die es eigentlich hochhalten soll?

Ich will das an der Stelle gar nicht beantworten, zumal ich mir auch gar nicht sicher bin, ob ich ein kompetentes Urteil darüber fällen kann, aber ich dennke, man müsste sich diese Frage stellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Studie wurden unter anderem Ergebnisse aus folgenden Ländern verwendet:

- Belarus
- Russland
- Venezuela
- Ägypten
- Libyen
- Pakistan
- Azerbaijan
- Iraq
- Armenien
- China

Aus. Alles Länder, die in Sachen Demokratie und Meinungsfreiheit in der Regel eher schlechte Zeugnisse bekommen haben ...
Es wurden in der Studie Weltweite Divergenz der Werte auch andere Staaten untersucht. Und ich habe oben u.a. Polen und Ungarn genannt, die beide demokratisch verfasst sind und sich trotzdem negativ entwickelt haben. Und in beiden, welch ein Zufall, mischt sich die katholische Kirche sehr stark ins politische Geschehen ein.

Und die Autoren der Studie sagen selbst über die Divergenzen – Zitat (Fettschreibung durch mich):

Why has rising wealth led Western, but not non-Western, nations to espouse more emancipative values? We believe that this relationship might be embedded in ecological and cultural events throughout Western history, including the advent of participatory democracy in Athens and early Rome, enlightenment and post-enlightenment philosophy, the Catholic Church’s marriage and family polices60, the French revolution, and the reformation61. These phenomena may have gradually solidified a Western identity focused on autonomy, primacy of individual rights over obligations to the in-group, and tolerance for breaking norms2,60,62. As the world has globalized and Western nations have competed for resources on the world stage, this identity may have crystalized even further. But this does not mean that wealth or globalization should have encouraged similar values in African, East Asian, or South Asian cultures. To the contrary, growing power and resources may have prompted non-Western countries to affirm their own traditional values.

Practically, value divergence has implications for political polarization and conflict across world countries. Russia has framed the recent war in Ukraine as a war against Western values40. Chinese politicians have spoken against countries that “forcibly promote the concept and system of Western democracy and human rights”63. Western non-governmental organizations have faced recent accusations of seeding immorality and propagating Western imperialism64, and public opinion polling has found increasingly hostile attitudes towards Western countries in the Middle East65, Asia66, and Africa67. Our findings do not shed light on the extent of the anti-Western sentiment or the exact nature of its antecedents and consequences. We do not know to what extent governments strategically propagate certain values to reinforce national identities, as Tomlinson21 would suggest. One goal of future research could be to understand the extent that political elites have encouraged value divergence among ordinary citizens.


das müsste erstmal plausibel belegt werden
Die Methoden werden hier detailliert erklärt: https://static-content.springer.com.../MediaObjects/41467_2024_46581_MOESM1_ESM.pdf
 
In Polen ist die rechte Regierung für's erste abgewählt. Im Übrigen mit den Christdemokraten in der Regierungskoalition.
 
Es wurden in der Studie Weltweite Divergenz der Werte auch andere Staaten untersucht. Und ich habe oben u.a. Polen und Ungarn genannt, die beide demokratisch verfasst sind und sich trotzdem negativ entwickelt haben. Und in beiden, welch ein Zufall, mischt sich die katholische Kirche sehr stark ins politische Geschehen ein.

Weltweit ist schonmal insofern nicht richtig.
Es sind 76 Länder ausgwählt und untersucht worden aus über 190 Staaten, die von der UN als solche anerkannt werden.
Schon daraus ergibt sich, dass globale Thesen über divergierende Wertentwicklung weltweit allenfalls eingeschränkte Gültigkeit beanspruchen könnten.
Hinzu kommt das genannte Problem.
Ich habe dir 10 Staten unter den Untersuchten aufgelistet, bei denen ich für fraglich halte, ob die Ergebnisse betreffend dieser Länder überhaupt als authentische Bilder gelten können.
Das waren beispielhafte Nennungen. Zimbabwe, Vietnam, Kasachstan und Kirgistan, dürften in die gleichee Kategorie fallen und warum die Studie Puerto Rico (Außgebiet der USA) als eigenes Land führt, ist mir ohnehin komplett schleierhaft.

Nimmt man die alle raus, weil entweder geringe Verlässlichkeit der Angaben oder weil nicht einsichtig, warum überhaupt Teil der Studie (Puerto Rico), bleiben noch an die 50 Länder übrig, also etwa ein Viertel der Staaten weltweit.

Auch dürfte es einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis der Studie haben, wenn man die bedenken berücksichtigt und diese Resultate als fraglich betrachtet.

Und ich habe oben u.a. Polen und Ungarn genannt, die beide demokratisch verfasst sind und sich trotzdem negativ entwickelt haben. Und in beiden, welch ein Zufall, mischt sich die katholische Kirche sehr stark ins politische Geschehen ein.
Zunächst mal weiß ich nicht, wie du auf die Idee kommst Ungarn für ostentativ katholisch oder di katholische Kirch dort für bsonders mächtig zu halten.


In Ungarn gehören 53,6% den christlichen Kirchen an, 45,3 Prozent der Bevölkerung dort gehören keiner Religionsgemeinschaft an.
Damit ist der Anteil an offiziell Religionslosen Bewohnern des Landes nebenbei bemerkt deutlich höher als in Deutschland, mit lediglich 33,1%
Übrigens sind unter den 53% angehörigen der christlichen Kirchen in Ungarn ein guter Teil Reformierte (vor allem in den östlichen, an Rumänien/Transsylvanien grenzenden Landesteilen) und ein geringer Teil Lutheraner, würde man die abziehen, käme man wahrscheinlich auf an die 30 %- 40% die sich auf die beiden katholischen Konfessionen (römisch-katholisch/ungarisch-griechisch-katholisch) verteilten.

Laut englsicher Wiki zu Religion in Ungarn, hat es 2022 in Ungarn einen Zensus gegeben, bei dem der Anteil der Katholiken beider genannter Konfessionen sogar unter 30% lag.


Wobei hier allerdings die Kategorie "not answered" viel Spielraum für Schwankbreiten lässt.

Damit ist die katholische Kirche, was ihre Reichweite und Organisationsmacht betrifft in Ungarn ganz klar weit schwächer, als etwa in Italien, Irland, Österreich, Spanien, Portugal oder Belgien.

Polen? Ja, da ist die katholische Kirche relativ einflussreich und das Land hat in den vergangenen Jahren einen spührbaren Negativtrend hingelegt.
Indess, in Irland ist die katholische Kirche ebenfalls sehr einflussreich, die Verfassungsänderungen in Irland in den vergangenen Jahren, so wie die derzeit in der Diskussion befindlichen laufen allerdings eindeutig auf eine Liberalisierung hinaus.

Wenn es also an der katholischen Kirche und deren Wirkmächtigkeit in der Bevölkerung im Besonderen läge, warum entwickeln sich dann mit Polen und Irland zwei ostentativ katholische Länder in die genau entgegengesetzte Richtung?
Scheint so nicht aufzugehen, deine Vorstellung.


Die Methoden werden hier detailliert erklärt
Diese Erklärung habe ich bereits vor dem vorausgegangenen Posting zur Kenntnis geommen und sie ist nicht geeignet meine Bedenken auszuräumen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und ich habe oben u.a. Polen und Ungarn genannt, die beide demokratisch verfasst sind und sich trotzdem negativ entwickelt haben. Und in beiden, welch ein Zufall, mischt sich die katholische Kirche sehr stark ins politische Geschehen ein.
Wobei gerade Viktor Orban kein Katholik ist, sondern Angehöriger der Reformierten Kirche.
 
Kampf der Kulturen – Zitat:

Wie eine Auswertung von Daten aus 76 Ländern zeigt, haben sich in den Jahren zwischen 1981 und 2022 Wertvorstellungen weltweit auseinanderentwickelt. Das gilt besonders für Ansichten, die mit Toleranz und individueller Freiheit zu tun haben.

Das hat man nicht erwartet, schließlich sollte die Globalisierung dazu führen, dass alle nicht nur „die gleichen Telefone in der Tasche herumtragen, die gleichen Schuhe und die gleichen Kleider anziehen, in den gleichen Restaurantketten essen, die gleiche Musik streamen, die gleichen Filme ansehen und miteinander auf den gleichen Social-Media-Plattformen vernetzen - dann müssten sich doch auch die Wertvorstellungen der Menschen weltweit anpassen, oder?“

Aber davon kann anscheinend keine Rede sein. Mehr noch: Es ist sogar von Hass auf die westlichen Länder und deren Kulturen und Werte die Rede.

Und zugleich weiß man angeblich nichts über die Gründe für diese Entwicklung.

Ich dagegen vermute, dass im Westen das Christentum seit der Französischen Revolution die führende Rolle, die es bis dahin hatte, über die 230 Jahre seitdem immer mehr verlor und zuletzt kaum noch Einfluss auf die Gesetze der Staaten nehmen kann. Als Indizien für diese These kann man die Gesetze in jenen Ländern betrachten, die bis vor kurzem (Polen) oder immer noch starke institutionellen Kirchen haben (Russland, Lateinamerika). Auch in der islamischen Welt werden Staaten praktisch von Klerikern regiert (Iran, Pakistan, Afghanistan) oder werden von den Regeln des Islams stark beeinflusst (Ägypten, Saudi-Arabien, etc.) – so wie das in Europa vor der Aufklärung der Fall war.

In China ist die führende Rolle der kommunistischen Partei (Ideologie, einer Religion vergleichbar) festgeschrieben und verhindert individuelle Freiheiten und Freiheit der Presse aus Angst, die Menschen würden dann ihre führende Rolle nicht mehr akzeptieren.

Oder habt ihr eine andere Erklärung dafür?

So furchtbar bedeutend sind das Christentum/der Islam ja dann auch wieder nicht.

Die längste Periode der Menschheitsgeschichte ist die Menschheit ohne ausgekommen. Weder die attische Demokratie noch die Römische Republik hat dazu die Geburtshilfe einer monotheistischen Religion benötigt. Auf die Grundlagen demokratischer Streitkultur: These-Antithese ist man von allein gekommen, dafür brauchte es kein Christentum, keinen Islam-da sind Leute drauf gekommen, lange bevor Jesus oder Mohammed geboren wurden.

Die Menschheit ist durch Christentum und Islam auch nicht friedfertiger, toleranter oder weiser geworden. Sie war aber auch ohne das Christentum, ohne den Islam nicht unbedingt friedfertiger, toleranter und weiser. Auch ohne dass Christentum ohne den Islam kann die Menschheit vor die Wand fahren-und das hat sie oft genug getan, auch ohne dass Christentum und Islam alles verpatzt haben.

Sich von Religion zu befreien, Religion zu überwinden, Religion bekämpfen- auch das ist kein Patentrezept für eine freiheitliche Gesellschaft. Auch atheistische Staaten sind zu Intoleranz, Gewalt und Dogmatismus fähig. Der Verfall von Religion, der Verlust eines christlichen Weltbildes führt bei vielen Menschen keineswegs dazu, dass sie Freidenker, Agnostiker und Atheisten werden, viele füllen das Loch, das die etablierte Religion hinterlassen hat mit Esoterik und Verschwörungstheorien. Hier wie dort der Glaube an eine absolute Wahrheit, der Glaube, zu denen zu gehören, die den Durchblick haben, die Überzeugung auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.

Auch säkulare, atheistische Ideologien können Gedankengewölle hervorbringen, die an Absurdität es mit dem Dogma von der unbefleckten Empfängnis aufnehmen können, die auch nicht weniger abwegig sind als die Annahme, dass der Koran sozusagen aus dem Nichts entstanden ist, dass Engel ins Weltgeschehen eingreifen und sich ausgerechnet einen Typen wie Mohammed aussuchen, ihm die absolute Wahrheit zu souflieren. Hat nicht auch der Kapitalismus ein Dogma: das vom unbegrenzten Wachstum?.

Leider gibt es eher wenige Indizien, die darauf hindeuten, dass Demokratie, Freiheit und Menschenrechte sich entwickeln, wenn nur erst die Religion überwunden ist. Wo das Christentum an Einfluss verlor, haben sich keineswegs idyllische Zustände entwickelt.

Gerade die Französische Revolution taugt nicht gerade als Erfolgsgeschichte für Demokratie und Menschenrechte: In Frankreich wurden Kirchen geschlossen, die Gräber der Könige geschändet, der Revolutionskalender und das Fest des Höchsten Wesens eingeführt. Das ging doch alles sehr weit- und zu weit.

Da hätten nach deiner These eigentlich ideale Bedingungen geherrscht, das Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sich entfalten konnten. Das Gegenteil war der Fall. Der Wohlfahrtsausschuss hat Terror legitimiert, und es sind dem Wüten des Wohlfahrtsausschusses allein in Frankreich weit mehr als 20.000 Menschen zum Opfer gefallen, die unter dem "Rasiermesser der Nation ihr Leben ließen.
Beim Aufstand in der Vendee sind noch mehr Menschen ca. 300.000 dem Terror zum Opfer gefallen.


Die Russische Revolution war noch weit radikaler, da wurde die Macht der Kirche wirklich ausgeschaltet, und in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten blieb das nicht nur eine kurze Episode, sondern da fristeten Religionen nur noch ein Nischendasein für Jahrzehnte. Auch in der SU haben freiheitlich-demokratische Positionen nicht durchsetzen können. Es kam zum Putsch einer Kader-Partei mit Terror. Kaum ein Staat hat mehr Bauern umgebracht, als die SU. Der Personenkult in totalitären Staaten hat alle Elemente einer Pseudo-Religion.

In der DDR spielten die Kirchen auch eine Rolle, als das Volk Demokratie einforderte, und die Kirche hat Schutzräume zur Verfügung gestellt, und einige Geistliche haben sich durch ihr Engagement auch Repressalien ausgesetzt, und Verdienste dabei, der Demokratie den Weg zu bahnen kann man ihnen nicht völlig absprechen.

Man mag von Johannes Paul II. halten was man will. Viele seiner Entscheidungen waren überaus kritikwürdig. Beim Widerstand gegen das kommunistische Regime in Polen, bei der Demokratisierung Polens kann man auch Johannes Paul II. gewisse Verdienste nicht absprechen.

Weder während der Französischen, noch während der Russischen Revolution und auch nicht in jeder beliebigen anderen Epoche der Menschheitsgeschichte haben sich Indizien dafür gezeigt, dass die Menschheit weiser, menschlicher und toleranter wird, wenn sie nur erst die Religion überwunden hat. Auch Atheismus ist kein Patentrezept gegen Barbarei.

Auch ohne sich auf das Christentum oder den Islam herausreden zu können, auch ohne monotheistische Religionen, die alles verpatzen ist die Menschheit imstande den Karren konsequent an die Wand zu fahren- und das hat sie getan und wird es wieder tun.
 
In Polen ist die rechte Regierung für's erste abgewählt.
Ja, seit Dezember 2023 hat Polen eine neue Regierung, die jüngsten Daten für diese Studie stammen aber aus 2021, d.h. übrigens auch, dass die Daten aus Russland noch vor dem Angriff auf Ukraine stammen, als die dortige Unterdrückung der Meinungsfreiheit noch nicht so rigoros war wie heute.

Es geht aber in der Studie nicht so sehr um die Frage, wer regiert, sondern welche kulturelle Werte die Bevölkerung eines Landes für wichtig hält. Und da sind Polen und Ungarn negativ aufgefallen – besonders in den letzten 10 Jahren.
In diesem Zusammenhang spielt auch keine Rolle, ob der Regierungschef eines Landes gerade Katholik, Reformierter, Muslim oder Atheist ist. Viel wichtiger ist die Frage, ob er Ressentiments der Bevölkerung bedient, verstärkt oder dämpft, und von welcher Seite er für sein Handeln Unterstützung oder Gegenwind bekommt.

Und für Polen und Ungarn wissen wir, dass die dortigen Kirchen die Ressentiments z.B. gegenüber Moslems bedient, wenn nicht sogar verstärkt haben. Das im Gegensatz zu den Kirchen in Deutschland. Von nichts kommt eben nichts.

Die Ergebnisse der Studie, die auf repräsentativen (bis zu 7) Umfragen pro Land während des untersuchten Zeitraums beruht, zeigen den jeweiligen Status Quo. Und die Kurven in den entsprechenden Grafiken gehen mal hoch und mal runter, auch abhängig davon, auf welchem Level der Startpunkt lag. In Irland war der Startpunkt z.B. so tief, dass es dort nur besser werden konnte.

Der Vorwurf @Shinigamis, es seien nicht alle Länder dieser Welt berücksichtig worden, ist lächerlich, zumal in der Studie erklärt wird, wie man vorgegangen ist, u.a. auch, warum bestimmte Länder nicht berücksichtigt worden sind. Daher ist für mich ist klar: Passen die Ergebnisse einer Studie nicht ins eigene Weltbild, wird die Studie als solche angegriffen.

Dabei kann man auch ganz ohne solcher oder ähnlicher Studien sehen, dass die Unterschiede wachsen, und dass das nicht nur an mehr oder weniger Wohlstand, oder der (Un)Möglichkeit sich zu informieren, liegt: Auch bei wachsendem Wohlstand und dem fast uneingeschränkten Zugriff auf Informationen können sich Meinungen über kulturelle Werte ändern.

Nach allem, was in den letzten 3 Jahrzehnten geschehen ist, glaube ich, dass Huntington mit seiner 1996 veröffentlichten These von kommendem Clash of Civilizations Recht gehabt hat – obwohl ich sie damals abgelehnt habe. Hier seine Aufteilung der Welt in Kulturkreise:

1200px-Clash_of_Civilizations_map.png
 
Immer dieses "ja, aber...." Kein "aber", die These trägt einfach nicht, egal wie lange man drumherum laviert. Religion und Konfession sind langfristige Paramter, die jahrhundertelang sich nur allmählich verändern* (sofern nicht cuius regio, eius religio greift), historisch-politische Momentaufnahmen, die sich im nächsten Augenblick ändern - du schreibst es ja selbst, die Studie stammt von 2021 und schon stimmt etwas nicht mehr - sind sehr viel volatiler.

*Selbst die jetzige Erosion der Kirchen in den westlichen Staaten ist ein Prozess, der seit gut 150 Jahren "vorbereitet" wurde. (in Anführungszeichen, weil da kein Mastermind dahinter steht, ich dies also nicht verschöwrungserzählerisch verstanden wissen will.)
 
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