Es sank die Sterblichkeitsrate, was in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhds geradezu zu einer Bevölkerungsexplosion führte. Die Produktivität der Wirtschaft wuchs allerdings nicht im gleichen Maße, und großer Teile der Bevölkerung hatte verschiedene Ursachen, die Verelendung weiter Teile der Gesellschaft bestand in Deutschland bereits vor der Industriellen Revolution, und sie spitzt im Pauperismus der 1820er Jahre.
Die beginnende Industrialisierung war nicht die Ursache der Massenarmut, mancherorts fingen Fabriken das schlimmste Elend auf, da höhere Löhne gezahlt wurden, als pauperisierte Tagelöhner und bauern erwirtschaften konnten.
Ein paar zusätzlich Aspekte zum von Scorpio beschriebenen sozialen Wandel. Das neunzehnte Jahrhundert war eine Periode dramatischer Veränderungen, die den sozialen Wandel massiv beeinflußt haben und den Agrarkapitalismus im 19. Jahrhundert durch den Handelskapitalismus ersetzte [3, S. 78ff]
Die verbesserten Transportmöglichkeiten ermöglichten eine dramatisch ansteigende Migration und so wurden neue Nachfragemärkte und Arbeitsmärkte geschaffen. Aspekte, die dann auch im Rahmen des später einsetztenden Imperialismus eine zentrale Rolle spielen sollten. In diesem Zusammenhang schätzt Osterhammel, dass zwischen 1814 und 1914 bereits 82 Mio grenzüberschreitend "migriert sind" [1, S. 235ff]. Dabei verlief der größte Teil dieser Migrationen von Europa in die USA [2, S. 435].
Allerdings waren bereits transnationale Warenströme vorhanden, wie von Scorpio mit der Kaffebohne beschrieben, die eine massive Rolle spielten. So kam es bereits im späten 19. Jahrhundert zu massiven Konflikten in GB aufgrund der Einfuhr billiger Baumwollbekleidung, die in GB Arbeitskräfte gefährdete.
Die internationalen Migrationsströme waren zusammen und neben der Landflucht in die Städte sicherlich ein Merkmal, das Potential für die "industrielle Reservearmee" zu erweitern. Verschärft wurde diese Situation dadurch, dass durch die Landflucht / Migration innerhalb der Länder das System der Subsistenzwirtschaft und / oder der familiären Selbstversorgung teilweise nicht mehr funktionierte und es zu den Versorgungskrisen - Hungerkatastrophen -kam, die Scorpio beschrieben hatte.
Die zunehmende Verstädterung, die dem Trend folgte, Arbeitskräfte an bestimmten Standorten zu konzentrieren, ermöglichte zum einen die Nachfrage nach Arbeitskräften zu decken, aber schuf auf der anderen Seite das Reservoir, aus dem sich das „Proletariat“ rekrutieren sollte. Und es waren die "Brennpunkte" des sozialen Elends und von Krankheiten, die primär durch die Enge der Unterbringung und schlechter hygienischer Verhältnisse entstanden sind, wie im "steinernen Berlin" geschildert [9].
Die kapitalistische Produktionsweise schuf dabei eher langsame positive Veränderungen der sozialen Verhältnisse der zunehmend größer werdenden Arbeiterschaft. So schreibt Thomson beispielsweise, dass in 1840 sich die Lebensverhältnisse im Vergleich zu vor 50 Jahren leicht verbessert hätten, aber insgesamt waren die Lebensverhältnisse insgesamt katastrophal [4, S. 212]. Ähnlich beschreibt Rübberdt die Situation in den englischen Baumwollspinnereien um 1830.
Die Situation der Arbeiterschaft, und dazu gehörten Frauen und Kinder, war zwar beispielsweise in GB formal im wirtschaftlichen Liberalismus „frei“ geregelt, aber die Arbeiter mußten sich weitgehend den heftigen Schwankungen von überhitzter Konjunktur und Rezession anpassen. Zumal die Leistungsfähigkeit der Industrien deutlich im 19 Jahrhundert anstieg, wie Milward beispielsweise für die Produktionsindices für die Baumwollverarbeitende Industrie zeigt [6, S. 401]
Und an diesem Punkt der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft durch geringe Löhne und der problemlosen Entlassung aus den Unternehmen speisten sich die Verarmungsprozesse in der Arbeiterschaft, auch wie Engels sie beschreibt [5]. Und aus dieser Entwicklung resultierte die "soziale Frage".
Die Lösung der Sozialen Frage wurde daher immer drängender und es kam zu Initiativen vom Staat, von der Kirche sowie von einzelnen sozial eingestellten Unternehmern. Entscheidend für die vom Staat eingeleitete Sozialgesetzgebung war die Erkenntnis, dass Armut und Elend ein unverschuldetes Massenschicksal sei.
Nein, so einfach war es nicht und es war nicht der "verständnisvolle" Staat, der sich huldvoll seinen Untertanen zuwendete. Es wurde hart gekämpft und die sozialen Errungenschaften mußten hart erkämpft werden.
Vor diesem Hintergrund ergaben sich zunächst vor allem Konflikte zwischen den zunehmend in Gewerkschaften organisierten Arbeitern und den Arbeitgebern. Die jedoch aus einer Reihe von Gründen den Arbeitern in GB um 1840 deutlich machten, so Abendroth, dass ohne eine Veränderung der politischen Rahmenbedingungen, ihre wirtschaftliche Situation sich nicht ändern würde [8, S. 11ff].
Und in der Folge ging es auch um die Frage der politischen Teilhabe, die dann unterschiedlich radikal gestellt wurde. Und in Marx und Engels wohl die damals kritischten Beobachter und die radikalsten Kritiker gefunden haben.
Eine Form war die reformistische Strategie in GB, die die Arbeitschaft früh eingebunden hatte und so revolutionäre Verwerfungen vermieden hatte. Das Gegenbeispiel ist die Entwicklung 1917 in Russland, bei der diese Widersprüche nicht kontinuierlich reduziert wurden, sondern im Rahmen einer heftigen Reaktion, der Oktober-Revolution.
[1] J. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. 2010
[2] D. Hoerder: Migration und Zugehörigkeit. in: A.Iriye & J.Osterhammel (Hrsg.) Geschichte der Welt. 1870 - 1945. 2012, S. 433 ff
[3] J. Kocka: Geschichte des Kapitalismus. 2013
[4] E.P. Thompson: The making oft he Englisch working class. 1966,
[5] F. Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England. 1845
[6] A. Milward & S.B. Saul: The economic Development of continental Europe. 1780 – 1870, 1973
[7] R. Rübberdt: Geschichte der Industrialisierung. 1972
[8] W. Abendroth: Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung. 1965
[9] W. Hagemann, Das steinerne Berlin, Berlin/Frankfurt 1963